Die Unternehmen sehen pessimistisch in die Zukunft, die Konjunktur lahmt, und die Arbeitslosigkeit dürfte weiter steigen. Österreich brauche dringend Reformen, sagt die Industrie.
Wien. Ein Ende der schlechten Konjunkturnachrichten ist derzeit nicht in Sicht. OeNB-Chef Ewald Nowotny warnte am Montagabend vor einem "japanischen Szenario" mit langfristiger Stagnation in Europa. In Österreich geht jetzt auch die Zuversicht der Industrie in den Keller. „Die Konjunkturerholung hat ein frühzeitiges Ende erlebt – die Frühjahrserholung endet in einer Herbstdepression“, so Industriellenvereinigung-Generalsekretär Christoph Neumayer am Dienstag bei einer Pressekonferenz.
Die IV stellte auch die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 3. Quartal vor – und das Ergebnis untermauert den negativen Trend. Zum ersten Mal seit zwei Jahren erwarten mehr von der IV befragte Unternehmen eine weitere Abkühlung der Wirtschaft als eine Erholung. Konkret sinkt der Wert für „Geschäftserwartungen“ von zuvor plus 15 auf minus drei Punkte. Der Anteil derer, die positive Geschäfte erwarten, halbiert sich auf elf Prozent – während der Anteil der Unternehmen mit ungünstigen Geschäftserwartungen zugleich von acht auf 14 Prozent zunimmt.
Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage reduziert sich um vier Punkte auf aktuell plus 19 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit 18 Quartalen. „Die Qualität der konjunkturellen Dynamik wird signifikant schlechter als während der gesamten Periode von Mitte 2010 bis Mitte 2012 eingeschätzt“, so die IV.
Veranstaltung
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Anmeldung: diepresse.com/unplugged
Abbau von Beschäftigung
Sie geht unter den neuesten Vorzeichen davon aus, dass das Wachstum heuer in Österreich nur bei 0,75 Prozent landen werde. Einzige Option ist aus Sicht der Industrie „eine Steuerstrukturreform, die den Namen verdient; eine reine Lohnsteuersenkung wird nicht reichen – es geht auch um die Unfall-und Krankenversicherung und den Familienlastenausgleichsfonds“, so Neumayer. „Ein Abbau von Beschäftigung wird unvermeidlich“, sagte IV-Chefökonom Christian Helmenstein auf die Industrie bezogen – bisher habe der Abbau in anderen Sektoren stattgefunden. Das Umfeld sei nun aber derart schwach. „Das heißt nichts Gutes für die Arbeitslosenstatistik im Winter.“ Man könne die Lage in Österreich freilich nicht isoliert betrachten: „Schließlich ist die heimische Wirtschaft weit von einem sich selbst tragenden Aufschwung entfernt“, so Helmenstein.
„Wir müssen schauen, dass wir bei einer weiteren internationalen Abschwächung nicht in eine Rezession kommen.“ Neumayer fügt hinzu: „Unser zweitwichtigster Handelspartner Italien ist zum drittenmal in die Rezession gerutscht – da ist der Triple Dip schon Realität“, sagte Neumayer. Man müsse aber in Österreich ansetzen. Um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, sollte die Gewerbeordnung ebenfalls reformiert werden. „Jeder darf ein Nagelstudio eröffnen in Österreich. Aber man darf nur Hände machen – Füße sind ein reguliertes Gewerbe“, sagt Neumayer, um die wirtschaftshemmende Rolle von derartigen Regulierungen hervorzuheben.
Im Großen und Ganzen sei die Wirtschaft aber ein europäisches Problem: „Europa hat in den vergangenen Jahren massiv verloren. Die Energiepreise sind doppelt so hoch wie in den USA. Die neue Kommission muss das Thema Reindustrialisierung wieder in den Mittelpunkt stellen. IV-Chefökonom Christian Helmenstein fügt hinzu: „Die USA lassen eine viel höhere Flexibilität zu. Es gibt tatsächlich praktisch keinen Bereich mehr, wo die USA nicht flexibler und billiger sind als Europa. Die wichtigsten Beispiele sind der Energie- und der Kapitalmarkt. In Europa haben Banken mit einem extrem hohen Regulierungsgrad zu kämpfen.“
Auch für Großbritannien gelten die Vorteile, die auch Amerika hat. Dazu käme, dass London noch „Wechselkursflexibilität“ besitze, da man die eigene Währung drucke. Das will Helmenstein aber nicht als Forderung nach mehr Wechselkurs-Einflussnahme durch die EZB verstanden wissen. Tatsächlich kritisiert der IV-Chefökonom die „ultralockere Geldpolitik“ der Zentralbank. Er räumt aber ein, dass diese zu einem schwächeren Euro geführt habe – was mit ein wenig Verspätung jetzt auch für einen positiven Effekt in der Exportindustrie sorgt.
Unterstützung im Tarifstreit
Im Tarifstreit bei den Metallern stellt sich der IV-Generalsekretär – wenig überraschend – hinter die Forderung der Industrie, die sehr geringe EU-Inflationsrate (0,5 Prozent) und nicht die deutlich höhere heimische Rate (1,7) als Basis für Lohnerhöhungen zu nehmen. Dies sei „legitim“, so Neumayer.
Die Branche habe eine Exportquote von 80 Prozent, das könne aus den KV-Gesprächen nicht entkoppelt werden. Der Vorschlag der Industrie erzürnte die Arbeitnehmer, die auf eine Lohn- bzw. Gehaltserhöhung von mehr als 1,7 Prozent pochen. (jil)