Gaza-Streifen
Pressestimmen: ''Palästinenser zahlen mit ihrem Blut''
''Le Monde'' (Paris)
"Wenn das Ziel tatsächlich darin besteht - wie die Verantwortlichen in Israel immer wieder betonen - dass Hamas niedergeschlagen werden soll, dann wird die israelische Entschlossenheit sich an einer schmerzhaften Realität stoßen. Hamas ist umso mächtiger, je mehr ihre radikalen Ansichten sich durch Fakten zu bestätigen scheinen. Die Diplomatie funktioniert nicht mehr, und die palästinensische Autorität erscheint als Anhängsel, wenn nicht gar als Hilfsknecht eines Staates, der weiterhin einen großen Teil des Westjordanlands besetzt. Die Morde an den historischen Gründern und hunderten Militanten seit Beginn der zweiten Intifada haben die Hamas auch nicht daran gehindert, 2007 in Gaza die Kontrolle zu übernehmen."
''ABC'' (Madrid)
"Die Terroristen von Hamas hatten nie einen Zweifel an ihrer Entschlossenheit gelassen, Israel anzugreifen. Die Weltgemeinschaft mit den UN an der Spitze war unfähig, eine Lösung durchzusetzen. Die arabischen Staaten müssen sich vorhalten lassen, dass sie das Krebsgeschwür der Hamas nicht beseitigt haben. Die Organisation wird völlig zurecht als terroristisch eingestuft. Sie bedroht nicht nur Israel, sondern auch die arabischen Staaten der Region. Das Argument, die auf Israel abgeschossenen Raketen hätten keine festen Ziele gehabt, zählt nicht. So kann man nur argumentieren, wenn man darauf warten will, dass der Iran die Terroristen mit einer besseren Technologie ausrüstet."
''La Stampa'' (Turin)
"Die von der (deutschen) Kanzlerin Angela Merkel bezogene Position (...) ist politisch außerordentlich schwerwiegend: Wegen des Zeitpunkts, in dem sie ausgesprochen wird - nur 48 Stunden nach der furchtbaren Selbstverteidigung vonseiten der Regierung in Jerusalem - (...) und wegen der offensichtlichen Unterstützung an Mubarak und Mahmoud Abbas, die sie enthält. Noch signifikanter ist jedoch, dass mit dieser vorbehaltlosen deutschen Rückendeckung für Israel die Politik der Samthandschuhe beendet wird, mit der die deutsche Diplomatie gewohnt war, in dieser Region vorzugehen. Es scheint, als habe die Kanzlerin nach einer langen Zeit des Tiefschlafs beschlossen, diesen Augenblick und diese Thematik ungeheurer Wichtigkeit zu wählen, um Deutschland auf die Bühne der großen Außenpolitik zurückkehren zu lassen."
''El País'' (Madrid):
"Friedensappelle und schöne Worte helfen im Nahost-Konflikt nicht weiter. Konkrete Aktionen der Weltgemeinschaft sind die einzige Chance, dem Drama ein Ende zu setzen. Die arabischen Staaten müssen Hamas isolieren und Mittel entziehen, bis die radikalislamische Organisation zu einem Gewaltverzicht bereit ist. Die USA und die EU dürfen sich in dem Konflikt nicht länger mit der Zuschauerrolle begnügen. Man darf nicht, wie Washington dies tut, alle Aktionen Israels gutheißen. Stattdessen sollte der Westen die Israelis mit Handelsbeschränkungen und politischen Sanktionen unter Druck setzen, bis sie zu ernsthaften Verhandlungen bereit sind."
''Frankfurter Allgemeine Zeitung '' (FAZ):
"Eines scheint gewiss zu sein: Wenn es nicht bald gelingt, erfolgreich und dauerhaft zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln, steht dem Nahen Osten ein neues blutiges Jahr bevor. Die jüngsten schweren Angriffe der Israelis auf den Gaza-Streifen werden die radikalislamische Hamas nicht zum Einlenken bewegen, sondern neue Märtyrer schaffen. Dieser Mechanismus funktioniert seit vielen Jahren mit der Zuverlässigkeit eines Uhrwerks. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in Tel Aviv und anderen Städten Israels wieder zu Selbstmordattentaten kommen wird, ist seit dem Wochenende stark gestiegen. (...) Zerstoben sind einstweilen Hoffnungen, die sich an die Abreden von Annapolis geknüpft hatten. Die waren zwar mit dem in Ramallah residierenden und verhandlungsbereiten Präsidenten Mahmoud Abbas getroffen worden, doch auch dieser kann sich gegenüber israelischen Vergeltungsschlägen mit Hunderten von Toten nicht neutral verhalten. Zwar sind Fatah und Hamas miteinander verfeindet, aber sie alle sind schließlich doch Palästinenser. Auch ist es nicht so, dass die Hamas im Westjordanland, wo Fatah den Ton angibt, nicht vorhanden wäre, im Gegenteil: Schon jetzt sympathisieren nicht wenige im Westjordanland mit der Hamas, vor allem an einigen Universitäten. Israelische Militäraktionen wie die jüngste tragen dazu bei, dort den Einfluss des 'islamischen Widerstandes' zu festigen."
''The Times'' (London)
"Israels Rückzug vom Gaza-Streifen vor drei Jahren war für das Land ein traumatisches Erlebnis. Das Land zog Soldaten und Siedler zurück, um dann von den neuen Nachbarn beschossen zu werden. Viele israelische Politiker werden sagen, dass Hamas ihre Chance verpasst hat. Die beiden Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten, Außenministerin Tzipi Livni und Oppositionsführer Benjamin Netanyahu, zeigten sich bereit, Hamas in Gaza mit militärischer Gewalt zu stürzen. Mit der bevorstehenden Wahl im Februar - der Zeitpunkt der Gewalt ist kein Zufall - erscheint ein solches Unternehmen zunehmend wahrscheinlich. Aber der humanitäre Preis dafür wäre schrecklich. Israels Führer müssen überlegen, ob mehr Blutvergießen tatsächlich Sicherheit für ihr Land bringt."
''Corriere della Sera'' (Mailand):
"Die Krise der letzten Tage bestätigt aufs Neue, dass die internen Spannungen der palästinensischen Bewegung (...) zugenommen und den Konflikt wieder entzündet haben. Dabei spielt jedoch ein steinerner Gast, der jede Möglichkeit eines Friedens blockiert, eine entscheidende Rolle: Und das ist der Iran, (...) der Iran, der Hamas unterstützt und mit seinem atomaren Rüstungswettlauf nicht nur Israel und den Westen, sondern auch fast die ganze arabische Welt beunruhigt."
''La Repubblica'' (Rom):
"Zu den Prioritäten von Obama (neben der Wirtschaftskrise, dem Irak und Afghanistan) zählt jetzt auch der israelisch-palästinensische Konflikt, der bisher in den Schatten verbannt zu sein schien. Und es wird Aufgabe eben dieses Präsidenten der Vereinigten Staaten sein, für den Israel im Nahen Osten der wichtigste Verbündete ist, die Idee eines wahren Dialogs zwischen Israelis und Palästinensern wiederaufzugreifen oder, besser gesagt, zu erzwingen. Dabei liegt die Schwierigkeit für Obama wie für seine Vorgänger darin, ein entschlossener und unparteiischer Schiedsrichter zu sein."
''Luxemburger Wort''
"Mit der präzisen Bombardierung und Neutralisierung Dutzender Stellungen der Hamas ist Israels Armee gegen eine Bewegung vorgegangen, die nicht nur Israel, sondern auch die gemäßigten Regime in den arabischen Anrainerstaaten in ihrer Substanz bedroht. Die Radikalislamischen von Hamas und Hisbollah haben vergangene Woche Scharia-Gesetze erlassen, die neben dem Abhacken von Händen, dem Steinigen und dem Auspeitschen auch die Kreuzigung im Strafregister vorsehen. Weil die beiden Bewegungen von Teheran politisch und logistisch unterstützt werden, war die israelische Aktion am Sabbat ein klares Signal an den Iran."
''Süddeutsche Zeitun'' (München):
"Das Militär soll richten, was die Politik nicht schafft: Ruhe an der Palästinenser-Front zu stiften. Doch das wird misslingen. Im Libanon-Feldzug vor zwei Jahren wurden 1300 Libanesen getötet und rund 160 Israelis. Gebracht hat der Waffengang außer einer folgenlosen UN-Resolution nichts. Die vom Iran unterstützte Hisbollah hat ihre Waffenarsenale inzwischen wieder gefüllt und eine neue Generation von Kämpfern rekrutiert. Obwohl der Krieg gegen die Hisbollah im Sommer 2006 nicht das damals erklärte Ziel erreicht hat, die Schiiten-Miliz zu zerstören, bombardiert Israel nun auch den Gaza-Streifen. (...) Israels mächtige Armee will die Hamas das Fürchten lehren, doch die Gaza-Guerilleros haben keine Angst vor dem Tod. Außer einem Raketenregen, abgefeuert von Gaza aus, drohen Israel nun auch wieder Selbstmordanschläge. Dennoch bleibt die Strategie sämtlicher israelischer Regierungen bis heute gleich: Gewalt palästinensischer Terrorgruppen mit Gewalt zu vergelten. Der (Irr-)Glaube in Israel an die Armee ist allmächtig und läuft quer durch alle Bevölkerungsschichten. Das Militär soll richten, was die Politik nicht schafft: Ruhe stiften. Doch die massiven israelischen Vergeltungsschläge werden nur Unruhe auslösen."
''La Croix'' (Paris)
"Der einseitige Bruch der Waffenruhe durch die Hamas (...) ist zweifellos folgenschwerer als die vorangegangenen. Mit einer höheren Zahl an Toten und einer schwerwiegenderen Zerstörung wird er die Entwicklung des Gaza-Streifens und das Eintreffen von humanitärer Hilfe verzögern. (...) Diese Strategie, das Schlimmste zu suchen, ist die schlechteste aller Lösungen. Selbst wenn die Hamas hoffen will, dass sie am Ende einen Waffenstillstand bekommt, der eine Öffnung der Grenzen begünstigt, wird sie einmal mehr ihre militärische Schwäche und ihre politische Isolierung bewiesen haben."
''Nepszabadsag'' (Budapest):
"Israel sollte bloß nicht glauben, dass es sich mit roher Gewalt von der Hamas befreien könne. Diese Organisation müssen die Palästinenser selbst aus ihren Reihen ausschließen, doch dies wird nicht morgen geschehen. In diesem Teil der islamischen Welt haben die Radikalen eine ernstzunehmende Reputation, weil sie nicht korrupt sind - im Gegensatz zu den gemäßigten, westfreundlichen Regierungskräften von Ägypten bis Pakistan."
''Frankfurter Rundschau'':
"Die hohen Opferzahlen waren gewollt, um den Islamisten einen Schock zu versetzen. Dass es auch Kinder und Zivilisten traf, wurde nach amerikanischem Muster im Irak in Kauf genommen. (...) Es geht den Israelis in erster Linie darum, den Kassam- und Mörser-Beschuss aus Gaza zu stoppen und nicht unbedingt darum, das Hamas-Regime zu stürzen - immerhin eine Ordnungsmacht in Gaza. Bräche die völlig zusammen, hätte man eine prekäre Lage: anarchische Verhältnisse, in denen Banden herrschen, ein Sumpf, in dem Al-Kaida-Zellen besser denn je gedeihen könnten."
''Stuttgarter Nachrichten'':
"Eines ist sicher nicht zu erwarten: Dass Mahmoud Abbas mit seiner abgetakelten Fatah zum guten Schluss glorreich nach Gaza zurückkehrt, um dort unter allgemeinem Beifall wieder das Zepter zu übernehmen. So sehr die Hamas inzwischen von säkularen Palästinensern verabscheut wird, die israelischen Bombenangriffe haben eine Solidaritätswelle in der Westbank wie der gesamten arabischen Welt ausgelöst. Nie war Abbas, der seit Jahr und Tag einen Frieden mit Israel zu schließen versucht, im eigenen Volk so angreifbar wie heute. Wenn überhaupt, wird Gaza langfristig nur zu befrieden sein, wenn ein internationales Truppenkontingent dort stationiert würde, womöglich gestellt von muslimischen Staaten, um der Hamas die Akzeptanz zu erleichtern."
''die tageszeitung'' (taz) (Berlin):
"Die Zahl der zivilen Opfer gehört zum Kalkül erbarmungsloser militärischer Abschreckung. Die Aufkündigung der Waffenruhe durch die Hamas und die ebenso sinn- wie wirkungslosen Einschläge der Katjuscha-Raketen dienen dabei nur als Vorwand, um ein mittelfristig bedeutenderes Ziel zu erreichen, die Beendigung der Islamistenherrschaft im Gaza-Streifen, das Ende von 'Hamastan'. Im israelischen Wahlkampf dürfte (Verteidigungsminister Ehud) Barak damit punkten. (...) Israel kann sich auf die offene Rückendeckung aus den USA und eine inoffizielle seitens der EU verlassen. (...) Eine militärisch gestutzte Hamas und ein in Chaos und Elend versunkener Gaza-Streifen könnten auf Jahresfrist den Weg für Neuwahlen freimachen, die die politisch genehmere Fatah an die Macht zurückbringt. Das würde auch der kommenden US-Regierung eine neue Nahost-Initiative erheblich erleichtern. Den Preis für dieses Kalkül zahlen die Palästinenser mit ihrem Blut."
''Rhein-Zeitung'' (Koblenz)
"Hamas wollte diesen Angriff. Sie hat ihn mit Raketenattacken auf israelische Städte und Dörfer aus kaltem Kalkül heraus provoziert. Den größten Fanatikern ist die palästinensische Bevölkerung egal. Schlimmer noch: Sie kalkulieren mit zivilen Opfern, sonst würden sie ihre militärischen Anlagen nicht bewusst in Wohngebiete legen. Sie provozieren die Fernsehbilder von Verzweiflung und Zerstörung, um Israel vor der Weltöffentlichkeit an den Pranger zu stellen. Die Hamas braucht den Krieg. Nur so kann sie davon ablenken, dass ihre Politik nur Not und Armut gebracht hat. Nur so kann sie erreichen, als Verhandlungspartner auf der internationalen Bühne ernst genommen zu werden."
''Neues Deutschland'' (Berlin)
"Die Katastrophe in Gaza konnte jeder voraussehen, der es wissen wollte. Während die Hamas ihren politisch unvernünftigen und militärisch sinnlosen Raketenbeschuss intensivierte und die israelischen Drohungen darob immer unverhohlener wurden, ließen sich die Großmächte nicht davon abhalten, ihre vermeintlich auf gutem Wege befindliche Nahost-Strategie zu feiern. Selten war Diplomatie zynischer. In diesem Lichte sollten denn auch alle Reaktionen auf das Blutbad von Gaza gesehen werden. (...) Weder die Verantwortungslosigkeit der palästinensischen Radikalen noch das Versagen der Großmächte noch die Scheinheiligkeit der Nachbarn rechtfertigt allerdings das rabiate Vorgehen Israels, welches jede Relation vermissen lässt."
''Handelsblatt'' (Düsseldorf)
"Sie hat jahrelang provoziert. Auch nachdem Israel den letzten Siedler und alle Soldaten endgültig aus dem Gazastreifen abgezogen hatte, gab die radikal-islamische Hamas keine Ruhe. Sie erinnerte mit regelmäßigen Raketenabschüssen daran, dass sie von Koexistenz mit Israel nichts wissen will. Statt auf Gewalt zu verzichten und die bisherigen israelisch-palästinensischen Verträge als Grundlage für weitere Verhandlungen zu akzeptieren, blieb die Hamas stur auf Ablehnungskurs - und rüstete auf. Sie hatte nur ein Ziel: Israel zu besiegen. Und sie ist nicht davor zurückgeschreckt, die palästinensische Bevölkerung in Gaza als Geisel zu missbrauchen. (...) Premier Ehud Olmert machte kein Geheimnis daraus, dass er mit Gewalt gegen die Raketenwerfer und deren Hintermänner vorgehen werde. Doch genau darauf scheint es die Hamas abgesehen zu haben."