Nahost-Krise: Israel droht ein Krieg an zwei Fronten

(c) Reuters (Eric Gaillard)
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Ägypten und die Türkei warnen Jerusalem vor Bodenoffensive, die UNO fordert eine Waffenruhe. Auch am vierten Tag der „Operation Gegossenes Blei“ feuerte die Hamas Raketen auf israelisches Territorium.

JERUSALEM. Tag vier der „Operation Gegossenes Blei“: Die israelische Armee hat gestern erneut Regierungsgebäude der Hamas im Gazastreifen bombardiert. Die Opferbilanz laut Hamas-geführtem Gesundheitsministerium: Mindestens 363 Tote, darunter rund 60 Zivilisten, 1600 Menschen wurden seit Beginn der Luftschläge verletzt.

Die derzeitigen Luftangriffe seien die „ersten von mehreren Phasen“, betonte Ministerpräsident Ehud Olmert erneut. An der Grenze zum Gazastreifen werden seit Sonntag Panzer und Truppen konzentriert und eine Bodenoffensive vorbereitet. Ägypten und die Türkei haben Israel vor einem Einmarsch in den Gazastreifen gewarnt. Dies könnte die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah dazu bringen, im Norden eine zweite Front zu eröffnen.

EU und UNO fordern einen sofortigen Waffenstillstand. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kritisierte Israels „übermäßigen Einsatz von Gewalt“. Die EU-Außenminister wollten noch Dienstagabend auf einer Sondersitzung über die Eskalation im Nahen Osten beraten. Die arabischen Außenminister treffen heute in Kairo zusammen.

Dramatische Versorgungslage

Hilfsorganisationen warnen zudem vor der sich dramatisch verschlechternden Versorgungslage in Gaza. Israel ließ gestern 108Lastwagen mit Hilfsgütern passieren, das Rote Kreuz wollte mehr als zehn Tonnen medizinische Hilfsgüter von Genf in die Region fliegen. Doch das deckt den Bedarf nicht, so die Experten vor Ort.

Die Palästinenser im Gazastreifen verfügen nur über wenige Stunden Strom pro Tag, Treibstoff und Lebensmittel sind knapp. Vor den Bäckereien bilden sich lange Schlangen. Ein Boot einer Gruppe ausländischer Friedensaktivisten, das Hilfslieferungen von Zypern aus nach Gaza bringen wollte, wurde von der israelischen Marine gerammt und zur Umkehr gezwungen.

Die neuen Luftangriffe und die drohende Bodenoffensive haben aber auch gestern Hamas und andere militante Gruppen nicht davon abgehalten, Raketen auf Israel abzufeuern. Rund 20 Geschosse schlugen bis zum Nachmittag ein, darunter auch eine Gradrakete, die einen Außenbezirk der Stadt Beer Sheva in der Wüste Negev traf. Das ist der östlichste Punkt, den die Palästinenser je erreicht haben.

PROTESTE IN WIEN

Heftige Wortwechsel gab es vor der israelischen Botschaft zwischen Botschafter Dan Ashbel und Demonstrationsteilnehmern. Die Kundgebung richtete sich gegen die israelischen Angriffe im Gazastreifen. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) verurteilt die Gewalt und ruft „zu einer Rückkehr zum Waffenstillstand auf“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2008)

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