Ein paar Kerzen zum Händewärmen

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In einigen Balkanländern ist das Gas bereits ausgegangen – mitten in der Kältewelle.

SARAJEWO. Der Gasdruck wurde schwächer, die Flamme der Gasheizung erlosch. Langsam kroch die beißende Kälte von minus 15 Grad durch die Fensterritzen. Sarajewo war wieder einmal ohne Gas. Wie damals vor 13 Jahren während des Krieges, als die 400.000 Einwohnern zählende Stadt von serbischen Truppen eingeschlossen war. Aber diesmal ist sie nicht allein. Auch in Rumänien und Bulgarien hat der Lieferstopp der russischen Gazprom einen Versorgungsnotstand ausgelöst.

In Sarajewo brach sogar teilweise die Stromversorgung zusammen. Denn die Menschen hatten ihre alten Elektrostrahler hervorgeholt. Das altersschwache Leitungssystem war überfordert.

Vor den Einkaufszentren bildeten sich Autoschlangen. Der sonst um diese Zeit gähnend leere Parkplatz des „Merkator“ war gefüllt. Viele jener, die mit Gas heizen, wollten rasch zur Elektroabteilung hasten, nur um zu erfahren, dass es schon seit dem Nachmittag keine Elektroheizungen zu kaufen gibt. „Kommen Sie morgen Nachmittag wieder, vielleicht bekommen wir dann Nachschub“, erklärte die freundliche Verkäuferin. Leere Regale auch bei „Robot“ und „Obi“. So blieb nur, sich einige Kerzen zu sichern. Doch auch diese wurden schon knapp.

„Kerzen geben auch Wärme“, bestätigte ein Nachbar. „Wir sitzen in der Küche, zünden mehrere Kerzen an und spielen Schach. Wie im Krieg. Damals haben wir noch Speiseöl in ein mit Wasser halb gefülltes Glas gegossen, mit der Aluminiumfolie aus der Zigarettenschachtel abgedeckt und dann einen Wollfaden durchgezogen. Das war der Docht. Das Glas wird warm und man kann sich auch so herrlich die Hände wärmen“, schwärmte er. So weit ist es aber Gott sei Dank diesmal noch nicht. Noch gibt es in den meisten Haushalten der Stadt zumindest Strom.

Holz statt Strom

Der Minister für Energie gab jedenfalls bereits gute Ratschläge. Die Leute sollten nicht mit Elektrizität, sondern wieder mit Holz heizen. Was auf dem Lande durchaus möglich ist. Aber in der Stadt? Noch sei ein Vorrat für ein paar Tage für die Fernheizung da, erklärte der Politiker, die durch dieses System versorgten Bürger bräuchten also nichts befürchten. „Und wenn auch dieser Vorrat verbraucht ist?“, fragt die Moderatorin des TV-Senders. Schweigen.

Alle wissen, dass der bosnische Staat kaum Reserven angelegt hat. In Kroatien immerhin hat der Staat dies getan. Und erstmals seit Langem auch die eigenen Vorkommen angezapft. 60 Prozent des Gases kommen mittlerweile aus heimischen Quellen. Auch Bosnien verfügt über Gas- und Ölreserven, die Regierung hat jedoch verabsäumt, mit der Ausbeutung der Vorkommen zu beginnen.

Schlimmer noch sind die Serben dran. Denn die haben erst im Vorjahr ihren staatlichen Energiekonzern an die Russen verkauft. Mit der Zusicherung, dafür im Gegenzug die Gasversorgung des Landes zu gewährleisten. Am 1. Jänner trat der Vertrag in Kraft. Sechs Tage danach ist er schon gebrochen. „Auf die Russen kannst du dich nicht verlassen“, sagt ein Bekannter aus Novi Sad am Telefon, „und jetzt frieren wir auch noch während unseres Weihnachtsfestes.“ Die orthodoxe Welt feiert am 6. Jänner Weihnachten.

In den nächsten Tagen wird es noch kälter werden, am Freitag werden die Temperaturen in Sarajewo und dem gesamten Balkan unter minus 20 Grad sinken. Für Familien mit Kindern eine Katastrophe. „Wir haben schon anderes überstanden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2009)

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