Immer Ärger mit den Juden

Warum lassen sich die Israelis nicht einfach ohne Gegenwehr ermorden? Früher ging das doch auch!

Österreich bringt im Großen und Ganzen den Juden gegenüber ja eh viel Sympathie auf; jedenfalls solange es sich um tote Juden handelt. Gegen die im KZ ermordeten Juden zum Beispiel hat heute fast niemand mehr etwas.

Etwas anders verhält es sich mit (noch) lebenden Juden. Zwar verurteilte der Bundeskanzler in einem Interview die Raketenangriffe der Hamas auf Israel; im gleichen Atemzug verurteilte er aber auch Israels Versuch, sich gegen diese Terrorangriffe militärisch robust zur Wehr zu setzen.

Vermutlich ist diese Haltung eines entschlossenen Einerseits-andererseits durchaus mehrheitsfähig. Solange Israel ohne jede Gegenwehr hinnimmt, dass ein erheblicher Teil seiner Bevölkerung regelmäßig im Bunker leben muss, um nicht Opfer einer Hamas-Rakete zu werden, tolerieren wir ihr Verhalten. Wehren sie sich dagegen, stellen wir sie auf eine Ebene mit den Hamas-Terroristen. Warum auch können sich die in Israel lebenden Juden nicht genauso geräuschlos und höflich umbringen lassen wie ihre Eltern und Großeltern damals in den europäischen Vernichtungslagern?

Mehr Bewusstsein für Tradition und Kontinuität als die störrischen Juden zeigte hingegen erwartungsgemäß Frankreich: Indem das Außenministerium ebenfalls Hamas und Israel gleichermaßen rügte und damit den Unterschied zwischen Aggressor und Opfer orwellianisch zum Verschwinden brachte, knüpfte die Grande Nation gekonnt an die glorreichen Vichy-Zeiten an, in denen das stolze Frankreich jüdische Frechheiten auch nicht ungestraft hinnehmen musste.

Als Camouflage ihrer Haltung dient all jenen, die von Israel erwarten, sich gefälligst mit Raketen beschießen zu lassen, ohne Ärger zu machen, neuerdings das Argument von der „Unverhältnismäßigkeit“ der israelischen Gegenwehr, also der Umstand, dass deutlich mehr Palästinenser der israelischen Gegenwehr zum Opfer fallen als Israelis dem Hamas-Terror.

Unbestritten ist, dass dies vor allem daran liegt, dass die Hamas ihre Raketenstellungen in Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern errichtet, um genau diesen Effekt zu erzielen. Deshalb stellt sich die Frage: Warum hindern die 1,5 Millionen Palästinenser in Gaza die Hamas nicht daran, Raketen auf Israel vom Schulhof aus zu starten? Es ist ja nicht gut vorstellbar, dass die Hamas gegen den Widerstand der eigenen Bevölkerung auch nur einen Tag weiter so Terror gegen Israel betreiben könnte.

Davon, dass die (mit Mehrheit gewählte) Hamas mit Gewalt ihre Raketenstellungen mitten unter Zivilisten errichtet hat, ist bislang nichts bekannt. Damit stellt sich auch die Frage der „Verhältnismäßigkeit“ anders: Solange die Palästinenser dulden, dass die Hamas aus ihrer Mitte, aus ihren Häusern und Schulen Raketen auf israelische Kindergärten abfeuert, können sie nicht wirklich als „unschuldige zivile Opfer“ gelten.

Nicht Israels Gegenwehr ist unverhältnismäßig, sondern die Kritik an dieser Gegenwehr ist es.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2009)

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