Bankgründerin Sonja Kohn schweigt weiter über ihre Rolle im Madoff-Skandal. Zuletzt erzielte die Bank, die nur 15 Mitarbeiter beschäftigt, 80 Prozent der Provisionen mit Madoff-Fonds.
Wien. Bei der Wiener Bank Medici, deren Kunden mit einem kolportierten Schaden von 3,6 Mrd. Dollar zu den größten Opfern des New Yorker Finanzjongleurs Bernard Madoff gehören, gibt es noch einiges zu klären: Exfinanzminister Ferdinand Lacina, der im Medici-Aufsichtsrat sitzt, behauptet, nichts über die Geschäftsbeziehungen zu Madoff gewusst zu haben. Ähnliches hört man von der Bank Austria, die mit 25 Prozent an Medici beteiligt ist.
Das Ganze ist bemerkenswert. Denn Medici-Mehrheitseigentümerin Sonja Kohn lernte den einstigen Börsenstar Madoff schon in den 80er-Jahren kennen und vertraute ihm einen Großteil der Kundengelder an. Zuletzt erzielte die Bank Medici, die nur 15 Mitarbeiter beschäftigt, 80 Prozent der Provisionen mit Madoff-Fonds. Die Wiener Bank gehörte damit in Europa zu den größten Vertriebsstellen des mutmaßlichen Betrügers. Madoff legte die Gelder nicht an, sondern verteilte sie ähnlich einem Pyramidenspiel immer wieder. Im Zuge der Finanzkrise brach das Kartenhaus zusammen. Neben Lacina erklärt auch Medici-Aufsichtsrat und Exwirtschaftsminister Hannes Farnleitner: „Von Madoff ist in der Bank nie geredet worden.“
Aufsichtsrat fragte nicht nach
Warum haben die Aufsichtsräte nicht genauer nachgefragt – immerhin war der Verkauf von Madoff-Fonds das mit Abstand größte und wichtigste Geschäftsfeld des Wiener Instituts? Warum hat Kohn so lange über ihre Kontakte zu Madoff geschwiegen? „Es ist nicht Aufgabe von Frau Kohn, den übrigen Aufsichtsräten zu berichten, sondern das ist Aufgabe des jeweiligen Bankvorstands“, sagt der Wiener Anwalt Wolf Theiss, der die Bank Medici in rechtlichen Fragen vertritt. Theiss weiter: „Ich gehe davon aus, dass der Aufsichtsrat sehr wohl Kenntnis vom Geschäftsmodell der Bank hatte, das aus dem Vertrieb von Investmentfonds besteht.“ Zurückgetreten ist jedenfalls Medici-Aufsichtsrat Philip Göth – ohne Angabe von Gründen.
Neuer Vorstand bestellt
In der Vorwoche wurde Medici unter Staatsaufsicht gestellt. Ohne Regierungskommissär Gerhard Altenberger dürfen keine wichtigen Entscheidungen mehr getroffen werden. Dennoch kämpft Kohn um ihre Bank. Anstatt Medici zu liquidieren, versucht die 60-jährige Investmentbankerin einen Neustart. Nach der Aufsichtsratssitzung präsentierte Medici am Freitag eine neue Führungsspitze.
In den Vorstand bestellt wurde der britische Banker John Holliwell. Dieser sei ein erfahrener Finanzexperte, der seine Karriere bei der britischen Barclays begonnen habe und seit mehr als 30 Jahren in Führungspositionen im Bereich Banking und Finance tätig gewesen sei, teilte Medici mit. Offenbar dürfte Kohn das Buch von Holliwell „The Financial Risk Manual“ gefallen haben. Dabei handelt es sich – so eine Beschreibung in einem britischen Online-Bookshop – um ein Handbuch, das bei der Identifizierung und bei der Reduktion von Risken in komplexen finanziellen Bereichen helfen soll.
Holliwell soll mit Vorstand Werner Tripolt ein neues Businessmodell für Medici erarbeiten. In sechs bis acht Wochen soll das Konzept fertig sein. Weitere Details wurden nicht genannt. Die Aufgabe dürfte nicht einfach werden. Wer will nach Bekanntwerden der Madoff-Affäre schon Kunde oder Geschäftspartner von Medici werden?
Kohn ist für Journalisten weiterhin nicht zu sprechen. Dabei gibt es viele Fragen über ihre Rolle im Madoff-Skandal. Aus dem Umfeld der Bank heißt es, Frau Kohn sei zutiefst enttäuscht und fühle sich außerordentlich schlecht. Sie sehe sich vor den Trümmern ihres Lebenswerks. Laut amerikanischen Zeitungen könnte Kohn mit Madoff zusammengearbeitet und die fehlgeschlagenen Anlagestrategien mit ihm entwickelt haben. Aber auch dazu will sie jetzt keine Auskunft geben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2009)