Dringend gesucht: Das Energiesystem der Zukunft

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Im Labor funktionieren bereits viele Ideen, mit denen man von Öl, Gas und Kohle unabhängig werden könnte. Welche Ideen zur künftigen Energie-Gewinnung sich durchsetzen werden, ist nicht absehbar.

Wien. Die Vision ist bestechend: In großen Wasserbecken werden Algen gezüchtet, die gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen sollen sie große Mengen an Biomasse bilden. Zum anderen sollen die Mikrolebewesen mit Kohlendioxid (CO2), das Kraftwerken entströmt, gefüttert werden. Das Treibhausgas könnte dann nicht mehr direkt in die Atmosphäre entweichen.

Algen sind eine der großen Hoffnungen von Energieforschern: Sie wachsen extrem schnell, und sie produzieren ein Öl – sie benötigen es zum Schwimmen –, das leicht zu Autotreibstoff weiterverarbeitet werden kann. Algen erfüllen damit zwei wichtige Anforderungen an ein künftiges Energiesystem: Sie nutzen die Sonnenenergie direkt und sehr effizient, und sie liefern einen Energieträger, der in der vorhandenen Infrastruktur verteilt und genutzt werden kann.

Diese Voraussetzungen müssen auch für andere innovative Energietechnologien erfüllt sein. Das Verbrennen von Biomasse zur Wärmegewinnung ist bereits technisch ausgereift. Bei der Umwandlung von Zellulose in flüssige oder feste Energieträger ist man hingegen noch nicht so weit. Eine vielversprechende Idee ist die Erhitzung von Holz oder Pflanzenabfällen – dabei bilden sich Gase, die in Flüssigkeiten (Biosprit) oder Methangas verwandelt werden können.

Forscher arbeiten an der Verbesserung von Biomassetechnologien an allen Ecken und Enden. Beginnend bei den Pflanzen selbst: Die natürliche Fotosynthese hat einen Wirkungsgrad von nur einem Prozent, das genaue Studium der biochemischen Prozesse soll die Züchtung effizienterer Pflanzensorten ermöglichen.

Auch bei der Stromproduktion aus der Sonne gibt es in den Labors schon bessere Lösungen als die herkömmlichen Fotovoltaik-Paneele aus Silizium. So haben sogenannte „organische Solarzellen“ zwar schlechtere Wirkungsgrade, doch sie versprechen, bis zu 50-mal billiger zu sein.

Viele Forscher träumen auch von einem Umstieg auf eine Wasserstoffwirtschaft. Dieses Gas hat einen großen Vorteil: Es verbrennt völlig sauber ohne CO2-Emissionen. Es gibt aber noch Probleme. So ist die Herstellung aus erneuerbaren Energiequellen noch ineffizient. Auch Transport und Speicherung sind nicht befriedigend gelöst. Und: Es müsste eine völlig neue Infrastruktur aufgebaut werden, was langwierig und teuer ist.

Sonnenenergie ist im Grunde ein Form von Kernenergie: Sie entsteht bei der Fusion von Wasserstoffatomen. Diesen Prozess will man auch auf der Erde nachbauen, und zwar im geplanten Kernfusionsreaktor ITER. Der technische Aufwand dafür ist freilich gigantisch, denn bei der Kernreaktion müssen Temperaturen von 100 Millionen Grad beherrscht werden. Falls das aber gelingt, sind die Aussichten erfreulich: Ein 1000-Megawatt-Kraftwerk würde pro Stunde gerade einmal Brennstoffe im Gewicht von zehn Zuckerwürfeln verbrauchen. Und im Vergleich zu herkömmlichen Atomkraftwerken, in denen Uran gespalten wird, fallen kaum radioaktive Abfälle an.

Apropos Atomkraft: Trotz der derzeitigen Renaissance wird sie auch in Zukunft nur einen kleinen Teil der Energieversorgung übernehmen können – denn auch die Uranvorräte haben ein absehbares Ende. Steigt man hingegen auf andere Brennelemente um, dann ergibt sich ein riesiges Problem mit dem Abfall Plutonium – aus dem massenhaft Nuklearwaffen fabriziert werden könnten.

Welche Ideen zur künftigen Energiegewinnung sich durchsetzen werden, ist nicht absehbar. Experten betonen, dass man möglichst viele Alternativen entwickeln sollte – denn mit einer einzigen Lösung wird man den wachsenden Energiehunger der Welt nicht befriedigen können.

Ein völliger Ausstieg aus fossiler Energie bleibt ohnehin ferne Zukunftsmusik. „Das wird mindestens 100 bis 200 Jahre dauern“, sagt der Experte Neboj?a Naki?enovi?. Nachsatz: „Je schneller wir den Ausstieg schaffen, desto besser.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2009)

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