Rassismus-Diskussion: "Ich bin in beiden Ländern Ausländer"

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Probleme mit Sprache und Beruf, die Rolle der Religion und des Kopftuchs, Freundschaften zu Österreichern und Erfahrungen mit dem alltäglichen Rassismus. Wie jugendliche Migranten ticken.

Die Presse: Fühlen Sie sich eher als Ausländer oder als Österreicher?

Volkan: Ich bin in beiden Ländern Ausländer. Hauptsächlich sage ich, ich bin Österreicher türkischer Herkunft.

Elisabeth: Ich fühle mich beiden Ländern zugehörig, Polen und Österreich. Aber es gibt Momente, in denen man sich unwohl fühlt. Wenn etwa behauptet wird, dass Polen immer stehlen. Viele verstehen nicht, wann es genug ist.

J.P.: Wenn Leute betrunken sind, reden sie halt oft viel Blödsinn. Ich nehme das einmal so hin. In jedem Land gibt es Rassisten.

Ist es für migrantische Jugendliche schwieriger als für Österreicher?

Sefa: Es ist natürlich die Sprache ein gewisses Hindernis.

Oliver: Natürlich hat man es als Österreicher leichter. Ich habe schon mitbekommen, dass Ausländer diskriminiert werden.

Ossi: Es ist manchmal schon schwieriger für uns. Wenn ein Türke etwas anstellt, heißt es ja oft gleich, dass alle Türken so sind.

Wie schätzen Sie ein, dass jugendliche Migranten gerne als kriminell betrachtet werden?

Elisabeth: Das ist doch nur ein Klischee. Das wird von den Medien aufgebauscht.

J.P.: Es nervt mich, wenn Leute auf der Straße mich ständig fragen, ob ich Stoff habe. Ja, es gibt Schwarze, die das machen. Aber die Leute sollen nicht glauben, dass jeder Schwarze ein Dealer ist.

Apropos Klischee: Wenn man an Türken denkt, denkt man ja meist an Frauen mit Kopftuch.

Sila: Wer Kopftuch trägt, ist eben strenggläubig. Ich werde es wohl tragen, wenn ich älter bin. Mit 40, 50 vielleicht. Aber jetzt will ich meine Jugend ausleben. Ich will nicht daheim sitzen und stricken. Das kann ich später noch machen.

Es gibt aber auch Jüngere, die Kopftuch tragen.

Sila: Das ist deren Entscheidung.

Kemal: Meine Mutter trägt Kopftuch und meine Schwestern tragen es auch. Das kommt von der Religion. Das ist schon wichtig für mich.

Aber sind Sie überhaupt religiös?

Kemal: Nein.

Elisabeth: Man muss halt berücksichtigen, dass viele das Kopftuch von ihren Eltern aufgezwungen bekommen haben. Sie sind sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber man wächst damit auf. Es ist ein religiöses Symbol wie für Christen das Kreuz.

Wird man denn gezwungen, das Kopftuch zu tragen?

Kemal: Das gibt es. Aber es gibt auch Frauen, die das selber wollen, damit sie nicht auf der Straße blöd angeredet werden.

Wie ist denn das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Gruppen. Beim EM-Spiel Türkei gegen Kroatien gab es ja Ausschreitungen.

Volkan: Wir haben halt emotionaler gefeiert als die Österreicher. Aber nach dem Ausscheiden war es friedlich, weil wir gesehen haben, dass wir eh sehr gut waren. Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn wir gewonnen hätten.

Zu wem haben Sie gehalten?

Volkan: Gegen Deutschland habe ich zu Österreich gehalten. Sonst zur Türkei.

Haben Sie denn Kontakte mit anderen Nationen oder Österreichern?

Sefa: Eine Feindschaft gibt es nur während des Fußballspiels. Ich habe auch serbische Freunde, aber meist bin ich mit Türken unterwegs.

Volkan: Ich habe sogar Freunde, die Kurden sind.

J.P.: Österreicher sind anders. Die hören Techno oder sind Krocha. Aber es gibt wenige Österreicher, die Hip-Hop hören.

Elisabeth: Mein Freundeskreis ist bunt durchgemischt, von Persern und Kroaten bis zu Österreichern ist alles dabei.

Kann man mit allen in dieselben Lokale gehen?

Elisabeth: Man unterhält sich schon über andere Sachen, die Charaktere sind schon recht verschieden. Aber im Prinzip macht das keinen Unterschied.

Oliver: Genau, man sieht sich in der Schule, in der Arbeit, beim Fortgehen oder am Sportklub-Platz.

Woran liegt es dann, dass immer wieder von Problemen geredet wird.

Sila: Das sind Menschen, die nur streiten wollen. Es ist doch egal, woher man kommt. Jeder soll zuerst auf sich selbst schauen.

J.P.: Es sind nicht nur die Österreicher Rassisten. Es gibt auch Schwarze, die Rassisten sind. Das finde ich schon blöd. Aber wenn jemand zu mir Neger sagt, fühle ich mich schon provoziert.

Wird das Verhältnis besser, wenn man sich besser kennt?

Oliver: Sicher, wenn man einen Ausländer als Nachbarn hat, hat man auch weniger Angst. Man darf halt keine Vorurteile haben. Wenn ein Türke einzieht, darf man nicht automatisch glauben, dass der mehr Lärm macht.

Kemal: Türken haben halt mehr Kinder, da gibt es auch automatisch mehr Lärm.

Ossi: Türken besuchen sich auch mehr als Österreicher. Bei uns ist jedes Wochenende jemand da, oft sind das drei, vier Familien auf einmal. Ich kann verstehen, dass Österreicher sich da aufregen. Aber manchmal machen die ja auch Lärm.

Lärm wird auch bei Moscheen gerne als Gegenargument verwendet.

Sila: Moscheen sind wichtig. Ich würde auch gerne den Ruf vom Minarett hören wie in der Türkei.

Aber würde das die Österreicher nicht stören?

Sila: Aber wir kommen ja auch klar mit dem Läuten von Glocken.

Ossi: Es gibt auch in der Türkei Kirchen, die ihre Glocken läuten.

Inwieweit hat die Religion Einfluss auf das Leben in Österreich?

Volkan: Ich lese jetzt sehr viel über den Islam. Wenn jemand etwas anderes glaubt, ist das für mich kein Problem. Aber ich will auch, dass mein Glaube respektiert wird.

Oliver: Mich würde es nicht stören, wenn neben mir eine Moschee gebaut würde.

Volkan: Und ich würde jeden einladen, einfach selbst einmal in die Moschee zu kommen und sie sich anzuschauen.

ZU DEN PERSONEN

Die dritte Generation kommt selbst zu Wort. „Die Presse“ bat junge Migranten zu einer Diskussionsrunde in den Verein „Back on Stage“, der in Ottakring und Hernals Jugendliche betreut. Die Diskussionsteilnehmer:

Elisabeth, 18, Tochter polnisch-österreichischer Eltern, geboren in Österreich, Schülerin
Junior Peter (J.P.), 18, Kind afrikanischer Eltern, geboren in Nigeria, Schüler
Kemal, 15, in Wien geboren, Sohn türkischer Eltern, Schüler
Oliver,
17, Kind österreichischer Eltern, Gärtnerlehrling
Ossi, 16, Sohn türkischer Eltern, in Wien geboren, Elektrikerlehrling
Sefa, 16, in der Türkei geboren, auf Arbeitssuche
Sila,
17, in Wien geboren, türkische Eltern, beginnt eine Lehre als Bürokauffrau
Volkan,
21, türkische Eltern, geboren in Wien, auf Arbeitssuche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2009)

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