Zusammen sind wir halb so viel

Gerlinde Kaltenbrunner
Gerlinde Kaltenbrunner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ich sehe zu viel Werbung.

Das wäre an sich nicht schlimm, würde sich nicht die Erinnerung an alte Werbespots immer wieder unvermittelt den Weg in die Konversation bahnen. So Winnetou, Zähne putzen. Hab' ich schon. Dann mach' mal den Färbetest von Antibelag. Erwischt. Das Rote ist gefährlicher Zahnbelag, Karies kann entstehen. Blendax Antibelag entfernt Zahnbelag und führt dem Zahn stärkendes Kalzium zu. Verstanden? Mhm! Gerade im Gespräch mit jüngeren Semestern ernte ich dafür ratlose Blicke.

Selbst ältere Kollegen schütteln erstaunt den Kopf, wenn während des Essens plötzlich „Mogst an Radi? Na, du, i trau mi nit. Wieso? Na, wegen meine Dritten halt, host du do keine Probleme? Schmarrn, i nimm doch die Kukident Haftcreme“ aus mir hervorbricht. Dabei ist mir doch nur wichtig, dass alle gesunde Zähne haben. Unvermeidlich geht es auch mit mir durch, sobald eine Flasche Rotwein geöffnet wird. Denn „ich druck den Stoppel eini, und alles dem Herbert aufs Hemd. Ein Riesenfleck. Also, wenn da was hilft, dann nur Dixan“.

Nun ist mir klar, dass markige Sprüche aus der Vergangenheit einen ewig langen Bart haben. Doch auch auf die Gefahr hin, dass ich mich damit als „Wickie, Slime & Paiper“-Werbekonsument oute, früher waren die Spots halt irgendwie markanter. Und es ist nun einmal so: Ich bin alle Werbespots, die ich gesehen habe. Ich bin die roten Zähne, wegen denen ich nach dem Färbetest mehrere Tage lang nicht den Mund aufzumachen wagte. Ich bin die Haftcreme, die auf meine dritten Zähne wartet. Ich bin Herberts Hemd, das nach einem Waschgang wieder weiß war. Ich bin der Leser, der mir per Postkarte einen Dachschaden attestiert hat. Aber ich bin nicht Gerlinde Kaltenbrunner, denn ich habe Höhenangst.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2009)

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