Nationalrat: „Befreien Sie uns von diesem Nazi-Dreck!“

Van der Bellen
Van der Bellen(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Die Grünen fordern Martin Graf (FPÖ) auf, er möge seine beiden umstrittenen Mitarbeiter, die beim rechtsextremen deutschen „Aufruhr“-Versand angeblich Artikel bestellt haben, kündigen.

WIEN (pri/chs). Die Grünen schicken ihren Professor vor, als Martin Graf am Mittwoch um 13.15 Uhr im Präsidentensessel des Plenarsaals versinkt. Er soll dem Dritten Nationalratspräsidenten (FPÖ) eine Rechtfertigung abverlangen für seine beiden Mitarbeiter, die beim rechtsextremen deutschen „Aufruhr“-Versand angeblich Artikel bestellt haben. Also fragt Alexander Van der Bellen: „Wie erklären Sie den Abgeordneten, dass Mitarbeiter Ihres Büros den Hitlergruß offenbar in ihrem Repertoire haben?“

Dann zückt er ein schwarzes T-Shirt, das Grafs Gehilfen geordert haben sollen. Es zeigt den NS-Reichsadler, darunter die Zahl „88“. Sie spielt auf den achten Buchstaben im Alphabet an: Doppel-H, ein Synonym für „Heil Hitler“. Van der Bellen trotzt den wüsten Zwischenrufen aus den FPÖ-Reihen, er fordert Graf auf: „Befreien Sie uns von diesem Nazi-Dreck! Und wenn Sie dazu nicht willig sind, dann treten Sie von Ihrem Amt zurück.“

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache reagiert empört, spricht von „Diffamierungen“ und empfiehlt dem Professor, er möge sich „schämen“. Denn die Bestelllisten seien Fälschungen. Die beiden jungen Männer hätten bloß Leibchen mit folgendem Aufdruck bestellt: „Mir stinken die Linken“ – und dafür habe er Verständnis, feixt Strache.

Unterstützung kommt am ehesten noch vom einstigen Erzfeind. BZÖ-Klubchef Josef Bucher verurteilt „jedes Anstreifen am Nationalsozialismus“, tadelt aber gleichzeitig die „publicityträchtige Aktion“ der Grünen:“ Es gebe wahrlich wichtigere Themen zu besprechen.

Die Klubobleute von SPÖ und ÖVP, Josef Cap und Karlheinz Kopf, gemahnen Graf, er habe sich der politischen Debatte zu stellen. Zumal es für nationalsozialistisches Gedankengut nicht den „Funken von Toleranz“ geben dürfe (Cap).

Der Beschuldigte hält dem das „hehre Gut der Unschuldsvermutung“ entgegen. Das habe politisch auch für ihn zu gelten, denn bisher sei keiner seiner Mitarbeiter verurteilt worden.

Als die Sitzung wieder gemäß Tagesordnung weitergeht, kann sich auch Altkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), der eigentlich über Europa sprechen soll, ein Statement nicht verkneifen: „Hier geht es nicht um strafrechtliche Dinge, sondern nur um die politische Optik. Ich glaube, Sie sollten die Größe aufbringen und sich der Debatte stellen.“

Andernorts wird Graf inzwischen in seiner Funktion als Präsident des Fußballvereins Hellas Kagran kritisiert. „Hellas wird zur Spielwiese rechter Gestalten“, sagt Margarita Döller, eine jener drei Spielerinnen, die nach kritischen Äußerungen über Graf vom Verein suspendiert wurden. Die Sozialistische Linkspartei und der grüne Abgeordnete Karl Öllinger werfen Graf „Umfärbemaßnahmen“ vor: Im Vorstand habe er vor allem FP-Funktionäre positioniert, das Buffet werde von einem der beiden umstrittenen Mitarbeiter geführt.

In der Kritik steht auch der Wiener Fußballverband. Der hat Spieler des Vereins Union AC Mauer, die T-Shirts mit dem Aufdruck „Zeigt Graf die rote Karte“ trugen, gesperrt: wegen „Rassismus und Diskriminierung“, wie ein Betroffener sagt. „Paradox, wo wir doch gegen einen Rassisten protestiert haben.“

Einen Zusammenhang mit der Kontroverse um Graf sieht der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer (FPÖ) im Einbruch in sein Wiener Büro in der Nacht auf Mittwoch. Er vermute bei der Tat eine „Querverbindung zu den Grünen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2009)

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