Darwin: Ein Ständchen für den Regenwurm

CHARLES DARWIN
CHARLES DARWIN(c) APA (EPA/RICHARD MILNER / HANDOUT)
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Zum 200. Geburtstag des Forschers stellen wir in lockerer Folge Lebewesen vor, die für ihn wichtig waren.

„Es mag bezweifelt werden, ob es viele andere Tiere gegeben hat, die in der Geschichte der Welt eine so wichtige Rolle gespielt haben“, schrieb Darwin ganz am Ende seines letzten Buchs, es handelte von dem, der wie ein „Pflug“ durch die Erde zieht und sie erst fruchtbar macht: „The formation of vegetable mould, through the actions of worms, with observations of their habits.“ Beide, der Regenwurm (englisch treffender: „earth worm“) und der Erdboden, begleiteten den Forscher sein Leben lang, auch eine seiner ersten Publikationen war ihnen gewidmet, sie zeigt das ursprüngliche Interesse Darwins, das an den Zusammenhängen zwischen Geologie und Biologie. Es erlosch nie, es wurde nur in den Hintergrund gedrängt.

Als es später noch einmal hervorkam, zeigte sich Darwin in aller Breite, vom peniblem Kalkulator – „in großen Teilen Englands gehen pro Acre über zehn Tonnen (10.156 Kilogramm) Erde durch ihre Leiber“ – bis zum Denker, dem kein Zusammenhang zu entlegen ist: „Die Archäologen müssen den Würmern dankbar sein“, dafür, dass sie viele Steinobjekte in die Erde versinken lassen und dadurch erhalten haben.

Aber zentral ist der Experimentator, der die Wahrnehmung des Wurms in jeder Hinsicht und mit aller Raffinesse erkundete: Er schrie auf Regenwürmer ein, er stellte zwei Blumentöpfe mit Würmern auf das Klavier und spielte die Tonleiter. In beiden Fällen zeigte sich, dass „die Würmer keinerlei Hörsinn besitzen“, aber einen ausgeprägten Tastsinn: „Wenn das tiefe C angeschlagen wurde, zogen sie sich sofort in die Erde zurück.“ Und wenn er sie so anschrie, dass sie von seinem Hauch getroffen wurden, zogen sie sich auch zurück, die Luftbewegung nahmen sie ebenso wahr wie die Schwingung des tiefen C.

Flucht vor Maulwurf?

Das umgekehrte Experiment misslang. „Es wird oft gesagt, dass Würmer aus der Erde kommen, wenn man auf den Erdboden schlägt, weil sie dann glauben, dass sie von einem Maulwurf verfolgt werden. Aber sie kommen nicht immer heraus, ich weiß es daher, dass ich mit einem Spaten auf die Erde geschlagen habe. Aber vielleicht war das, weil ich zu stark geschlagen habe.“ Das war zugleich eine seiner vielen Hinterlassenschaften; nicht nur die Evolutionstheorie hält die Wissenschaft bis heute aktiv: Letzten Herbst zeigte Kenneth Catania (Vanderbilt University), dass Regenwürmer tatsächlich vor den Schwingungen flüchten, die die Maulwürfe erzeugen. (PLoS One, 3, e3472)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2009)

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