Leitartikel: Lodenfraktion mit Schmiss

Die Nationalen dominieren die FPÖ wie lange nicht mehr – trotz zunehmend heterogener Wählerschaft.

Die FPÖ-Führung hätte es wissen müssen. Und sie hat es auch gewusst: dass die Nominierung Martin Grafs, Mitglied der als rechtsextrem geltenden Burschenschaft „Olympia“, für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten eine Provokation darstellt. Als später publik wurde, dass dessen engste Mitarbeiter Bestellungen bei einem Naziversand aufgegeben hatten, konnte eigentlich niemand mehr sonderlich überrascht sein.

Es hätte Alternativen zu Graf gegeben. Einem wäre das Amt wie auf den Leib geschneidert gewesen: dem Abgeordneten und Anwalt Peter Fichtenbauer. Ein Politikertypus wie aus alten freiheitlichen Honoratiorenparteizeiten. Allerdings: Fichtenbauer ist nicht nur ein angesehener Advokat, er ist auch stellvertretender Obmann des „Vereins zur Pflege des Grabes von Ewald Nowotny“. Der 1944 abgeschossene Jagdflieger war ein Held der NS-Zeit und selbst Parteimitglied. Alljährlich, an Nowotnys Todestag, findet auf dem Wiener Zentralfriedhof eine – von Fichtenbauers Verein organisierte – Kranzniederlegung statt, bei der auch Neonazis aufmarschieren.

Und genau das ist das Problem der FPÖ. Dass es in der Partei Heinz-Christian Straches kaum jemanden gibt, der bisher nichtam rechtsrechten Rand angestreift wäre. So honorig er auch wirken mag.

Der Parteiobmann selbst trieb sich in seiner Jugend mit einer neonazistischen Clique herum. Es gibt Abgeordnete, die bei der wegen Wiederbetätigung verbotenen NDP waren. Andere waren Mitglied bei der „Kameradschaft IV“, einem Veteranenverband der Waffen-SS. Und es gibt Männer wie den oberösterreichischen Landesparteichef Lutz Weinzinger, die immer wieder mit einschlägigen Sagern auffallen: „Jede blonde, blauäugige Frau braucht drei Kinder, weil sonst holen uns die Türken ein.“

Eine blonde, blauäugige Frau, Susanne Winter, Mutter eines Kindes, wurde gestern wegen Verhetzung verurteilt. Sie ist Nationalratsabgeordnete der FPÖ.


Die FPÖ ist heute – betrachtet man die Funktionärsschicht – (deutsch-)national wie lange nicht mehr. Die Wähler sind es nur zu einem geringen Teil. Beim FPÖ-Wahlkampfabschluss im Herbst 2008 auf dem Wiener Viktor-Adler-Markt waren die Lodenträger mit Schmiss deutlich in der Minderzahl. Es dominierte das städtische Proletariat – inländischer, aber auch ausländischer Provenienz. Türkische Mädchen schwenkten ebenso blaue Strache-Fähnchen wie autochthone Favoritner mit Bomberjacke und Glatze. Man könnte sogar auf die Idee kommen: Keine andere Partei tut – entgegen ihren eigentlichen Intentionen – mehr für die Integration als die FPÖ. Da sie in den Problemzonen präsent ist und den Konflikt zwischen Inländern und Ausländern – zumindest, was die Zeit bei FPÖ-Veranstaltungen betrifft – aufhebt.

Das ändert jedoch nichts daran, dass es nicht das erklärte Ziel der Strache-FPÖ ist, eine vernünftige Integrationspolitik zu betreiben. Auch das Buhlen um die serbischen Wähler widerspricht dem nicht. Was Strache an den Serben so anziehend findet – und umgekehrt –, ist das gemeinsame Empfinden als „Outlaws“ und eine gewisse Übereinstimmung in der nationalistischen Weltsicht. Und indem Strache die serbisch-orthodoxe Community als die „guten Ausländer“ hervorhebt, grenzt er sie von den muslimischen „bösen“ Ausländern ab.


Das Gros der eigenen Abgeordneten dürfte mit Straches Serbophilie allerdings wenig anfangen. Die Burschenschafterfraktion denkt da noch in anderen Kategorien. Sie bildet heute das Rückgrat der Freiheitlichen Partei. Auch Jörg Haider hat während der Regierungsbeteiligung der FPÖ immer wieder schlagende Burschenschafter an zentralen Schaltstellen der Republik unterzubringen versucht. Einer von ihnen war Martin Graf; er wurde Geschäftsführer des Austrian Research Center in Seibersdorf. Doch hat Haider den innerparteilichen Einfluss der Burschenschafter auch einzudämmen versucht. Nicht zuletzt daraus resultierte letztlich der Bruch Haiders mit seiner eigenen Partei und die Gründung des BZÖ.

Die Kehrseite ist allerdings, dass sich im BZÖ folglich eher mediokre Figuren wiederfanden, das intellektuelle Potenzial der Burschenschaften jedoch fast zur Gänze der FPÖ erhalten blieb. Von 34 FPÖ-Abgeordneten sind 13 Akademiker (41 Prozent), von 21 BZÖ-Abgeordneten vier (19 Prozent).

Doch sagt ein akademischer Grad allein freilich noch wenig darüber aus, ob jemand auch schon im 21. Jahrhundert angekommen ist. Bei den FPÖ-Abgeordneten gibt es da berechtigte Zweifel.

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oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2009)

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