Darwin: Vor- und Nachteile des Ehelebens

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Als der 29-jährige Darwin 1838 darüber nachdenkt, ob er sich eine Frau suchen soll, erstellt er eine Liste von „pros and cons of marriage“.

Als der 29-jährige Darwin 1838 darüber nachdenkt, ob er sich eine Frau suchen soll, erstellt er eine Liste von „pros and cons of marriage“: „Kinder (so Gott will)“, „dauernde Begleiterin (und Freundin im Alter)“, „ein Haus und jemand, der es versorgt“, verbucht er bei den Vorteilen. An Verlusten fürchtet er etwa den von „Zeit“ und der „Freiheit, dahin zu gehen, wo man will“, und vielleicht würde seine Frau gar nicht in London leben wollen und er würde irgendwo in die „Verbannung“ geraten und zu einem „indolenten, unproduktiven Narren degradiert“?

In Summe zieht er es dann vor, mit einer „hübschen, weichen Frau auf einem Sofa zu sitzen, mit gutem Feuer und Büchern und vielleicht Musik“. Er fragt seine Cousine Emma Wedgewood, sie akzeptiert – „Tag der Tage!“ –, sie ziehen in ein Dorf zwei Eisenbahnstunden von London. Seiner Produktivität tut das keinen Abbruch, auch die Hoffnung auf Kindersegen und Umhegtwerden geht auf. Allerdings hängen zwei Sorgen über der Ehe: Körperlich sind die beiden verwandt – Inzuchtgefahr! –, geistig sind sie es in einem zentralen Punkt nicht. Emma ist fromm, Charles teilt ihr früh seine Abkehr von der Religion mit, sie ist schockiert.

Trotzdem geht alles gut, sie haben Geld – Darwin musste „nie“ sein „Brot verdienen“–, Kinder kommen, zehn, Darwin erzieht sie in Freiheit. Er verehrt Rousseau (der selbst seine pädagogische Theorie dadurch konterkarierte, dass er seine Kinder ins Waisenhaus steckte): Er hat keinen abgeschlossenen Arbeitsbereich, bezieht die Kinder mit ein, lässt sie Bienen und Pflanzen beobachten (der auch einbezogene Butler kocht derweil Taubenskelette aus). Er nimmt sie als Studienobje kte, verfolgt ihre Entwicklung und vergleicht sie mit der eines Orang-Utans im Zoo von London (er kommt später in der Serie).

„Trost unseres Alters verloren“

Dann bricht die Idylle zusammen. Das Lieblingskind, Tochter Annie, stirbt mit zehn, „wir haben die Freude unseres Hauses und den Trost unseres Alters verloren“. Manche sehen darin den Grund von Darwins Abkehr von der Religion – er geht nicht mehr in die Kirche, begleitet nur noch seine Familie hin–, aber es war allenfalls der letzte Tropfen. Darwin hat sich längst von Gott abgewandt, mit harten Worten (sie kommen auch später in der Serie), er berichtet es in der posthum erschienenen Autobiografie. Bei der Lektüre des Manuskripts ist Emma, in deren Armen Charles gestorben ist, wieder schockiert. Sie behält das letzte Wort und zensiert. Erst 1958 erscheint das Buch unverstümmelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2009)

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