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DDR-Liedermacher Kurt Demmler: Selbstmord in U-Haft

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Der ostdeutsche Liedermacher war wegen sexuellen Missbrauchs in mehr als 200 Fällen angeklagt. Demmler galt als der vielseitigste und erfolgreichste Rocktexter der DDR.

Der wegen Kindesmissbrauchs angeklagte ostdeutsche Liedermacher Kurt Demmler hat sich im Gefängnis das Leben genommen. Der DDR-Nationalpreisträger wurde am Morgen tot in seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis Moabit entdeckt, teilte ein Sprecher der Justizverwaltung Berlin am Dienstag mit. Demmler habe sich erhängt. Wenige Stunden später hätte der Prozess gegen ihn fortgesetzt werden sollen. Das Gericht hat noch am Dienstag das Verfahren eingestellt. Der Musiker war wegen sexuellen Missbrauchs von Mädchen von 1995 bis 1999 in mehr als 200 Fällen angeklagt.

Nach Angaben von Justizsprecher Daniel Abbou wurde der 65-Jährige um 06.20 Uhr von einem Justizbediensteten tot aufgefunden. Nichts habe zuvor auf einen Selbstmord hingedeutet, erklärte Abbou. Ein Abschiedsbrief wurde zunächst nicht gefunden.

Mit Castingterminen in Wohnung gelockt

Demmler soll die Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren zu sogenannten Casting-Terminen für eine neue Girlgroup in seine Wohnung gelockt haben. Dabei soll es zu sexuellen Kontakten mit den Teenagern gekommen sein. An Angaben eines Opfers soll sich Demmler mehr als 180 Mal an ihr vergangen haben. Zum Teil soll der Künstler mehrere Mädchen zugleich missbraucht haben.

Gegen den Liedermacher war schon früher einmal wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt worden. Im November 2002 wurde er deswegen zu 1.800 Euro Geldstrafe verurteilt. 2007 offenbarte sich ein weiteres Mädchen. Während der Ermittlungen zur jüngsten Anklage meldeten sich weitere Schülerinnen. Demmler wurde dann am 4. August 2008 verhaftet.

Zu Beginn des Prozesses am 22. Jänner hatte Demmler die Aussage verweigert. In früheren Vernehmungen hatte der Liedermacher und Arzt die Vorwürfe pauschal bestritten. An diesem Dienstag sollten die ersten mutmaßlichen Opfer angehört werden.

Nina Hagen sang seine Texte

Demmler galt als einer der erfolgreichsten Songtexter der DDR. So gut wie alle Rock- und Schlagerstars sangen seine Texte. Dazu gehörten Nina Hagen ("Du hast den Farbfilm vergessen"), die Bands Karat und die Puhdys aber auch Veronika Fischer, Frank Schöbel, Renft und die Stern-Combo Meißen, aber auch Katja Ebstein oder Karel Gott. Auch mit eigenen Liedern war der in Posen geborene Musiker bis zur Wende erfolgreich.

Demmler hatte 1985 hatte den Nationalpreis der DDR für einen Liederzyklus nach dem Buch "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint- Exupery erhalten. 1976 gehörte er zu den Mitunterzeichnern des Protests gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermanns aus der DDR. 1989 forderte er mit anderen Rockmusikern die Demokratisierung der DDR. Am 4. November 1989 trat er bei der ersten freien Massendemonstration am Alexanderplatz auf.

(Ag.)

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