ÖBB: 613 Millionen Euro dürften weg sein

OEBB
OEBB(c) APA (Barbara Gindl)
  • Drucken

Das Gericht wies die Klage der Bahn in allen Punkten ab. Der Vorwurf der Wette ist laut dem Urteil unzulässig, da die Deutsche Bank berechtigt ist, solche „Differenzgeschäfte“ durchzuführen.

Wien (jaz). Keine guten Nachrichten hatte der Postbote am Montag für die ÖBB in seinem Gepäck. Er stellte den heimischen Staatsbahnen das Urteil des Handelsgerichts Wien im Prozess der ÖBB gegen die Deutsche Bank zu. Und das Gericht wies die Klage der Bahn in allen Punkten ab.

Wie berichtet, klagten die ÖBB die Deutschen im Sommer des Vorjahres wegen der Spekulationsgeschäfte im Ausmaß von 612,9 Mio. Euro, die von der Bank vermittelt wurden. Die Bahn wollte, dass der Vertrag zwischen ihr und der Deutschen Bank für nichtig erklärt wird, da es sich bei dem Geschäft um eine „Wette“ gehandelt habe, die von der Bahn auch „irrtümlich“ eingegangen worden sei.

Der Vorwurf der Wette ist laut dem Urteil – das der „Presse“ auszugsweise vorliegt – unzulässig, da die Deutsche Bank berechtigt ist, solche „Differenzgeschäfte“ durchzuführen. Weiters könne es „dahingestellt bleiben“, ob sich die Bahnvertreter geirrt haben, als sie 2005 den Vertrag mit der Deutschen Bank abgeschlossen haben.

Die ÖBB wollen angesichts dieser erstinstanzlichen Entscheidung jedoch nicht aufgeben und werden gegen das Urteil berufen. „Wir sind weiterhin überzeugt, dass unsere Argumente richtig sind“, sagt ÖBB-Sprecher Alfred Ruhaltinger. Die Kosten für das Gerichtsverfahren seien im Verhältnis zu dem Klagswert „sehr niedrig“.

Die Deutsche Bank sieht sich indes durch die Entscheidung des Gerichts vollinhaltlich bestätigt. „Die Deutsche Bank ist immer davon ausgegangen, dass die Transaktion rechtswirksam abgeschlossen wurde. Das Urteil bestätigt dies nun. Es gab zu keiner Zeit eine Irreführung. Die Initiative zum Abschluss des Geschäfts kam zudem von der ÖBB und nicht von der Deutschen Bank“, meinte ein Sprecher des Frankfurter Finanzinstituts.

ÖBB fungieren als Versicherung

Ihren Ausgang genommen hat die Affäre im Herbst 2005. Damals wollten die ÖBB ein Portfolio von 612,9 Mio. Euro breiter gestreut und vor allem mit einer höheren Rendite als zuvor anlegen. Nach mehreren Verhandlungsrunden schloss die Bahn schlussendlich jedoch ein Geschäft ab, bei dem die ÖBB als Versicherungsgeber für Kreditrisken von 205 Firmen fungiert. Dafür erhielt die Bahn eine Prämie von 30 Mio. Euro, die sie auf eine zehnjährige Laufzeit zwischen 2005 und 2015 aufteilte.

Mit dem ursprünglichen Portfolio hat dieses Spekulationsgeschäft überhaupt keinen Zusammenhang mehr. Laut dem Vertrag muss die Bahn den Gesamtbetrag von 612,9 Mio. Euro zur Gänze auszahlen, sobald die Zahl der ausgefallenen Firmenkredite eine gewisse Grenze überschreitet. Nach Angaben von ÖBB-Finanzvorstand Josef Halbmayr dürfen nur 14 der 205 Firmen zur Gänze ausfallen. Angesichts der globalen Finanzkrise ist das jedoch schon bei vier Unternehmen – den drei isländischen Banken Kaupthing, Landsbanki und Glitnir sowie der US-Bank Washington Mutual – geschehen.

Die fatale Unterschrift unter dieses Geschäft leistete ein Mitarbeiter des ÖBB-Treasurys. Halbmayrs Vorgänger Erich Söllinger musste deswegen per Oktober 2008 seinen Hut nehmen.

Blutrote Bilanz

Ob die Bahn die 612,9 Mio. Euro zahlen muss, ist spätestens bei Ablauf der Geschäfte im Jahr 2015 klar. In der Bilanz soll die Summe jedoch bereits 2008 vollständig berücksichtigt werden. Diese dürfte daher blutrot ausfallen.

Trotz der Klage gegen die Deutsche Bank suchen die ÖBB weiterhin mögliche Abnehmer für die Geschäfte. Unklar ist jedoch, welchen Preis die Bahn zahlen müsste, damit ihr jemand das Risiko abnimmt. Eine Frage, die auch von Investmentbanken bislang nicht beantwortet werden konnte. Außerdem muss die Deutsche Bank einer solchen Lösung zustimmen.

Auf einen blick

Die Klage der ÖBB gegen die Deutsche Bank wurde in erster Instanz abgewiesen. Die Bahn wollte die 2005 geschlossenen Spekulationsgeschäfte rückgängig machen. Sie will nun berufen.

Laut diesen Geschäftenversicherte die Bahn Kredite von 205 Firmen im Ausmaß von 612,9Mio. Euro. Sobald mehr als 14 Firmen bankrottgehen, müssen die ÖBB zahlen. Vier Unternehmen gingen bereits in Insolvenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.