Der Papst wollte nicht ein antisemitisches Zeichen setzen, sondern "Fundis" in seine Kirche holen, sagte Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg. Dabei habe Benedikt Kollateral-Schäden akzeptiert.
Nach tagelanger Kritik am Papst für seine Entscheidung, vier traditionalistische Bischöfe - darunter ein Gaskammern-Leugner - wieder in die Kirche einzugliedern, hat er nun Schützenhilfe von unerwarteter Seite bekommen. Der Oberrabbiner von Wien, Paul Chaim Eisenberg, sagte in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit": "Der Papst wollte bestimmt kein antisemitisches Zeichen setzen, sondern er wollte die katholischen Fundis wieder zurück in seine Kirche holen."
Kollateralschäden mit anderen Konfessionen habe er dafür in Kauf genommen, so Eisenbergs Interpretation. In Schutz nehmen wollte Eisenberg den Papst allerdings nicht: "Ich glaube, der Papst weiß, was er tut." Die geäußerte Kritik vieler Katholiken bewertet er positiv, die Kritik von außerhalb der Kirche allerdings nicht: "Der Papst ist zunächst das Problem der Katholiken und nicht der Juden."
Das Verhältnis zwischen Juden und katholischer Kirche bleibt für ihn aber suspekt. "Mein Vater hat mich gewarnt: Bei allen guten Absichten sollte ich sehr vorsichtig sein, denn was die Katholiken tatsächlich im Schilde führen, könne man nicht wissen", erklärte Eisenberg. Ohnehin werde der christlich-jüdische Dialog viel zu sehr überschätzt, sagte der Oberrabbiner. "Meine religiöse Lebensfreude hat nie aus dem Christlich-Jüdischen, sondern nur aus dem Jüdischen geschöpft. Bin ich jetzt auch ein Fundamentalist? Bin ich nun so wie der Papst?", fragte Eisenberg.
Gespräch mit Schönborn mit "Bauchweh"
Den Brief von Kardinal Christoph Schönborn, in welchem dieser jegliche Form der Holocaust-Leugnung verurteilte, hat Eisenberg bis dato noch nicht beantwortet. Auch ein mögliches inoffizielles Gespräch mit dem Kardinal würde dem Oberrabbiner derzeit "Bauchweh" bereiten.
Auf die Frage, ob der Vorfall den Antisemitismus wieder salonfähig machen könnte, antwortete Eisenberg: "Wer Antisemit sein will, wird immer einen Vorwand finden."
(APA)