Island in der EU: Kostet's nichts, so schadet's nichts

(c) AP (Virginia Mayo)
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Die Kommission will Islands Beitritt 2011. Das brächte Island viel, der EU hingegen fast nichts. Island würde zur westlichen Außengrenze des Binnenmarktes zu den USA werden.

WIEN/BRÜSSEL. Vor ein paar Monaten noch eines der reichsten Länder der Welt, heute am Tropf des Internationalen Währungsfonds und Bittsteller der EU: Kein Land symbolisiert die Rasanz und die Zerstörungskraft der Finanzkrise deutlicher als Island. Nachdem bereits die drei Banken der 320.000-Einwohner-Insel im Nordatlantik verstaatlicht worden waren, erwischte es am Mittwoch die größte Investmentfirma Baugur. Jahrelang hatte sie sich in britische Einkaufsstraßen eingekauft, nun musste sie unter der Last von einer Mrd. Pfund Schulden (1,1 Mrd. Euro) beim Bezirksgericht Reykjavik Gläubigerschutz beantragen.

Soll man einem Land, das in Zeiten des billigen Geldes und der brummenden Weltkonjunktur auf der Welle des Finanzkapitalismus ritt und Europa die kalte Schulter zeigte, die Tür zur EU-Mitgliedschaft und zur Einführung des Euro öffnen? Ja, meinen Experten im Gespräch mit der „Presse“. „Über den Europäischen Wirtschaftsraum ist Island ohnehin schon eng an die EU gebunden“, sagt Hans Martens, Leiter des Brüsseler Forschungsinstituts European Policy Centre. Der EWR umfasst Island, Liechtenstein, Norwegen und die 27 EU-Staaten. Die drei Nicht-EU-Mitglieder müssen weite Teile des EU-Rechts (des „Acquis Communautaire“) übernehmen, haben auf die Entstehung dieser Gesetze aber keinen Einfluss. Und auch in den restlichen Teilen des Acquis – zum Beispiel dem Wettbewerbs- und Binnenmarktrecht – stehe wenig, was einer schnellen Aufnahme Islands widerspräche, sagt Martens.

Euro in vier oder fünf Jahren möglich

Die Einführung des Euro würde etwas länger dauern, wäre aber vermutlich auch kein Problem, sagt Zsolt Darvas von der Brüsseler Ideenschmiede Bruegel. „Das würde von jetzt an gerechnet ohnehin mindestens vier Jahre dauern.“ Denn selbst wenn Island 2011 der EU beiträte, könnte es erst ab diesem Moment beim sogenannten Wechselkursmechanismus II mitmachen. Dieser sieht vor, dass der Kurs zwischen der Währung eines Landes, das den Euro einführen möchte, und dem Euro selbst binnen zwei Jahren höchstens um plus/minus 15 Prozent schwanken darf.

Außerdem dürfen der Nominalzinssatz eines Kandidaten maximal zwei Prozentpunkte über jenem der drei preisstabilsten Länder des Jahres vor Euro-Einführung liegen, die Neuverschuldung nicht mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, die Staatsschuld höchstens 60 Prozent derselben und die Inflationsrate höchstens 1,5 Prozentpunkte über jener der drei Euroländer mit der geringsten Teuerung liegen.

Rüffel für allzu euphorische Kommission

Diese Voraussetzungen erfüllt Island jetzt noch nicht. So liegt zum Beispiel der Zinssatz aktuell bei zwölf Prozent, auch die Inflation ist infolge der rasanten Abwertung der Krone in zweistellige Höhe geschossen. „Ich bin mir aber sicher, dass diese Probleme in vier oder fünf Jahren gelöst sind“, sagt Darvas. „Darum wäre das kein großes Risiko für die finanzielle Stabilität Europas.“

Klar, dass Island den Schutz der EU sucht. Sogar traditionelle Gegner einer EU-Mitgliedschaft wie die isländischen Fischer, die um ihre Hoheit über die Gewässer fürchten, haben ihren Widerstand gegen einen Beitritt aufgegeben. Aber was brächte das Mitglied Island der EU? So gut wie nichts – bis auf das moralische Argument, einem einst renitenten EU-Gegner in Zeiten der Krise aus der Patsche geholfen zu haben, meint Hans Martens. Island würde zur westlichen Außengrenze des Binnenmarktes zu den USA werden – und könnte dank seines kalten Klimas und sehr gut ausgebildeter Bürger als begehrter Standort für riesige Computerdatenspeicher von IT-Konzernen wie Google dienen.

Die EU-Kommission möchte Island rasch aufnehmen – am liebsten schon 2011. Weniger enthusiastisch ist man im EU-Parlament. Es sei „nicht der richtige Zeitpunkt, an Erweiterung nur zu denken“, sagte Präsident Hans-Gert Pöttering zur finnischen Zeitung „Aamulehti“. Die Kommission solle lieber darauf drängen, dass der EU-Reformvertrag bald in Kraft tritt. Davor könne die EU „in keine Richtung erweitert werden“. In den EU-Ländern wächst aber die Zustimmung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2009)

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