Nebelübung: Anrainer gefährdet?

Nebelgranate
Nebelgranate(c) APA (BUNDESHEER)
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Laut Bundesheer widersprach eine Nachtübung mit Nebelgranaten, die zeitgleich mit dem Autobahnunfall stattfand, der Vorschrift: Ein ganzes Wohngebiet war in der Gefahrenzone.

WIEN. War eine Nachtübung des Bundesheeres der Auslöser für jene Massenkarambolage auf der Donauuferautobahn, die am 22. Jänner eine junge Tschechin das Leben kostete? An der Beantwortung dieser Frage arbeitet derzeit die Staatsanwaltschaft Korneuburg. Eine andere Frage, nämlich ob die Übung, bei der zu Anschauungszwecken fünf Nebelhandgranaten gezündet wurden, überhaupt zulässig war, ist seit Freitag eindeutig beantwort. Die Antwort lautet Nein.

„Die Benutzungsordnung des betroffenen Garnisonsübungsplatzes Korneuburg verbietet es, Nebelhandgranaten in der Nähe der Autobahn zu zünden“, stellte Paul Kritsch, Leiter der Gruppe Kontrolle des Bundesheeres, fest. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass sich im Umkreis von 300 Metern zum Detonationsort derartiger Granaten keine Zivilpersonen aufhalten dürfen. Im Umkreis von 100 Metern ist der Aufenthalt erstens ausschließlich Soldaten und zweitens nur mit Schutzmaske („Gasmaske“) erlaubt. In diesem Fall aber betrug der Abstand zur Autobahn nur 110, zur Autobahn-Raststation 100 und zum Unfallort 260 Meter. Was das Bundesheer in der viel beachteten Pressekonferenz nicht sagte: Innerhalb des Gefahrenbereichs von 300 Metern befanden sich auch Wohnhäuser.

Nebel stark ätzend

Das ist deshalb interessant, weil der Rauch der „Nebelhandgranate 75“ (so die offizielle Bezeichnung) laut Auskunft von Munitionsexperten die giftige Chemikalie Zinkchlorid enthält. Die Substanz ist stark ätzend, kann nach Beschreibung des Toxikologen Max Daunderer in Extremfällen sogar tödliche Lungenentzündungen und Defekte des zentralen Nervensystems auslösen. Das Bundesheer weiß das, weshalb selbst Soldaten mit Schutzmaske mindestens fünf Meter Abstand zu gezündeten Nebelhandgranaten halten müssen. Ist das nicht möglich (Häuserkampf), ist der Einsatz verboten.

Im Verteidigungsministerium glaubt man, dass aufgrund der Entfernung von etwa 300 Metern für Zivilisten keine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit bestanden habe. Dass die Benutzungsvorschrift für den Übungsplatz vom 45-jährigen Übungsverantwortlichen – der Mann ist Oberleutnant der Miliz und im zivilen Leben Amtsrat – ignoriert worden sei, stehe aber fest. Bisherige Übungen am Korneuburger Gelände seien jedoch vorschriftsmäßig durchgeführt worden.

Das giftige Zinkchlorid dürfte auch bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eine Rolle spielen. Laut Experten kann man die Substanz – so sie vorhanden ist – nämlich in den Luftfiltern der Unfallautos nachweisen. Kämen die Gutachter bei ihren Untersuchungen zu diesem Ergebnis, wäre das der Beweis dafür, dass der Nebel der Granaten über die Autobahn zog.

Das Heer selbst hält diese Möglichkeit nach anfänglicher Skepsis inzwischen für möglich. Denn sowohl der verantwortliche Übungsleiter als auch die anwesenden Grundwehrdiener gaben in ihren Aussagen inzwischen an, dass sich der Nebel nach der Granatenzündung in Richtung Unfallstelle verzog. Über einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Nebel und der Massenkarambolage (Zeitpunkt: etwa 18.50 Uhr) machte vorerst niemand klare Angaben.

„Krone“-Zitat „frei erfunden“?

Das Verteidigungsministerium erließ inzwischen ein dauerhaftes Verbot für die Zündung von Nebelhandgranaten am Garnisonsübungsplatz Korneuburg. Auf weiteren Übungsplätzen werden die Benutzungsvorschriften kontrolliert. Gegen den Übungsleiter wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet, die allerdings so lange ruhen werden, bis ein Gericht die Verschuldensfrage geklärt hat.

Für Aufregung sorgt die Berichterstattung der „Kronen Zeitung“, die in der Vergangenheit offensiv gegen Tschechiens Regierung (Stichwort Temelín) angeschrieben hatte. Sie zitierte Premier Mirek Topolánek mit den Worten: „Würde unsere Armee einen Unfall verursachen, bei dem ein österreichischer Staatsbürger umkommt und niemand hilft, gäbe es Hysterie wie bei Temelín.“ „Der Standard“ erkundigte sich in Topoláneks Büro nach der Richtigkeit des Zitats. Die Antwort des Pressesprechers: „Frei erfunden“. Meinung S. 35

Auf einen Blick

Das Bundesheer gestand am Freitag öffentlich Fehler ein. Jene Übung mit Nebelhandgranaten, die am 22. Jänner möglicherweise zu einer Massenkarambolage auf der angrenzenden Donauuferautobahn geführt hat, hätte laut Vorschrift gar nicht stattfinden dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2009)

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