"Presse" - Streitgespräch: Norbert Burger – ein Demokrat?

Öllinger und Graf
Öllinger und Graf(c) Die Presse (Teresa Zötl)
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Karl Öllinger will, dass sich Martin Graf von der Burschenschaft Olympia distanziert. Der denkt aber nicht daran. Beide können sich vorstellen, wieder gemeinsam einen ORF-General zu wählen.

Die Presse: Herr Öllinger, was müsste Herr Graf eigentlich tun, damit Sie zufrieden sind?

Öllinger: Ich hätte mir eine klare Distanzierung von der Burschenschaft Olympia erwartet, dem „Lebensbund“ des Herrn Graf.

Distanzieren Sie sich von Ihrem Lebensbund?

Graf: Nein, das habe ich nicht vor.

Öllinger: Wir sind ja einiges gewohnt, was Burschenschaften betrifft. Aber die Olympia unterscheidet sich von anderen Burschenschaften durch ihre Sonderstellung in politischer Hinsicht, weil sie das Drehkreuz in Richtung Neonazis ist.

Graf: Das ist Ihre Behauptung, die stelle ich entschieden in Abrede. Aber die Debatte über das Austreten ist scheinheilig. Was würde sich ändern? Meine Gesinnung bleibt die gleiche, mein Bekannten- und Freundeskreis würde sich nicht ändern. Die politischen Mitbewerber erwarten offensichtlich einen Kniefall von mir, der ihnen aber so und so nicht genügen würde.

Wenn Sie die Sonderstellung der Olympia in Abrede stellen: Ist es ein Zufall, dass gerade diese Burschenschaft immer wieder wegen Kontakten zu Neonazis ins Gerede kommt? Und dass ein David Irving (britischer Holocaust-Leugner, Anm.) dort eingeladen wurde?

Graf: Die Olympia ist schon ins Gerede gekommen, als ich Mandatar wurde. Genau diese politische Funktion hat sie interessanter gemacht. Die politische Linke sucht sich einen Reibebaum, und den hat sie offensichtlich in der Olympia gefunden. Wir sind der bestuntersuchte und -überwachte Verein. Bei jeder öffentlichen Veranstaltung sind Staatspolizisten vom Anfang bis zum Ende dabei. Wenn irgendetwas vorgefallen wäre, hätte es ja Reaktionen gegeben. Und Irving haben wir nie eingeladen und werden wir auch nie einladen.

Öllinger: Darf ich nachsetzen: Jörg Hähnel, NPD-Aktivist, als Sänger eingeladen. Michael Müller, NPD-Aktivist, als Sänger eingeladen. Frank Rennicke, NPD-Aktivist, als Sänger eingeladen. Rolf Kosiek, NPD-Aktivist, zur Diskussion eingeladen. Das ist der Punkt: Innerhalb weniger Jahre wurden nur bekennende Neonazis eingeladen.

Graf: Das stimmt ja nicht. Erstens veranstaltet die Burschenschaft Olympia maximal einmal im Jahr einen Liederabend. Mindestens jedes zweite Jahr tritt ein Vereinsvertreter auf, der Christian Heschtera zum Beispiel, ein hervorragender Landsknechtlieder-Sänger. Außerdem sind auch ein Günther Nenning, eine Heide Schmidt bei uns aufgetreten. Zu uns kommen Exponenten von ganz links bis ganz rechts. Daraus machen wir kein Geheimnis.

Öllinger: Ich kann respektieren, wenn jemand eine rechte Meinung hat. Darüber werden wir diskutieren, werden uns streiten, wir werden nicht einer Meinung sein. Aber für mich ist dort die Grenze, wo das in den Rechtsextremismus übergeht.

Graf: Die Grenze ziehen wir auch. Ein Gottfried Küssel hat bei uns Hausverbot bekommen, lange bevor noch ein Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde.

Öllinger: Aber Sie hatten einen Norbert Burger in Ihren Reihen.

Graf: Der ist tot, da können wir keine Grenze ziehen, wollen wir auch nicht. Was hat der Norbert Burger gemacht? In Italien ist er verurteilt worden, so wie der Molden auch. Sollen wir auch eine Grenze zum Molden ziehen? Beide sind in Österreich unbescholten.

Öllinger: Lenken Sie nicht ab. Norbert Burger hat zeit seines Lebens aus seiner neonazistischen Gesinnung kein Hehl gemacht. Er war Vorsitzender der österreichischen NDP.

Graf: Warum ist dann nie gegen ihn persönlich ein Verfahren eingeleitet worden?

Passt Norbert Burger Ihrer Ansicht nach in den Verfassungsbogen?

Graf: Der Verfassungsbogen ist so ein Thema. Wo stellt man den hin? Ich beschäftige mich nicht mit der Diktion des Verfassungsbogens.

War er Teil des demokratischen Spektrums?

Graf: Meines Erachtens nach schon. Irgendwann ist die NDP untersagt worden und ab dem Zeitpunkt oder vielleicht kurz davor hat er das vielleicht verlassen.

Herr Öllinger, Sie sprechen die ganze Zeit über das Umfeld des Herrn Graf, über Olympia und seine Mitarbeiter. Gibt es eigentlich etwas, was Sie dem Herrn Graf persönlich vorwerfen?

Öllinger: Herr Graf ist überall dort, wo es um Fragen der Vergangenheitsbewältigung geht, sehr sparsam mit Worten. Er äußert sich nicht, kann sich nicht erinnern. Er ist kein lärmiger Typ, andere fallen mehr auf. Aber er ist für die Abschaffung des Verbotsgesetzes.

Graf: Das stimmt nicht, ich habe nie die komplette Abschaffung des Verbotsgesetzes verlangt, sondern nur dort, wo kein Tatbild dahinter ist. Aber das sehen auch Verfassungsjuristen so. Wir haben nichts gegen Bestimmungen wie jene gegen die Wiedererrichtung der NSDAP.

Ein Mitarbeiter von Ihnen, Herr Öllinger, war Gründungsmitglied des „Tatblatt“. Wo ist eigentlich der große Unterschied zwischen Rechts- und Linksextremismus?

Öllinger: Da gibt es schon ein paar Punkte. Aber es kann und muss Kritik am Linksextremismus geben, nämlich dort, wo er zur Gewalt neigt, oder wo Linke an der Macht waren und Andersdenkende verfolgt haben.

Frage an beide Herren: Gibt es eigentlich etwas, was Sie über die Parteigrenzen hinweg verbindet?

Graf: Ich würde jetzt gern an die Sozialpolitik denken, aber der Herr Öllinger macht ja keine Sozialpolitik mehr, sondern nur noch Gesinnungspolitik. Spaß beiseite: Ich glaube schon, dass es das eine oder andere gibt, wo man das gleiche Ziel verfolgt, beispielsweise die Weiterentwicklung des Parlamentarismus ...

Öllinger: Da kneift die FPÖ. Bei der Transparenz beispielsweise.

Grüne und FPÖ haben in der Vergangenheit einiges gemeinsam gemacht: Untersuchungsausschüsse, Abschaffung der Studiengebühren, Wahl des ORF-Generaldirektors. Würden Sie das wieder machen?

Öllinger: Eine punktuelle Zusammenarbeit ergibt sich immer aus dem parlamentarischen Prozess. Ich habe das immer für reichlich absurd gehalten, dass man uns in die Situation zwingen möchte, dass wir immer gegen das stimmen müssen, was die FPÖ will. Wenn man gemeinsam etwas Positives umsetzen kann, warum nicht?

Würden Sie wieder gemeinsam einen ORF-General wählen?

Öllinger: Wenn es ein guter ist, ja.

Graf: Ja, wenn es ein besserer ist als der jetzige.

WAS BISHER GESCHAH

Der grüne Abgeordnete Karl Öllinger hat Daten veröffentlicht, wonach zwei Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) Bestellungen beim rechtsextremen Aufruhr-Versand abgegeben haben. Graf bezeichnet die Daten als gefälscht und will sich nicht von seinen Mitarbeitern trennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2009)

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