Katholische Kirche: "Austrittswelle hat eingesetzt"

Katholische Kirche
Katholische KircheAPA (Archiv/epa)
  • Drucken

Einem Vatikan-Experten zufolge hat nach der umstrittenen Aufhebung des Banns über die Piusbruderschaft eine "Austrittswelle" eingesetzt. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Katholiken sei "lädiert".

Die katholische Kirche ist nach Aussagen eines Vatikan-Kenners nach der umstrittenen Aufhebung des Kirchenbanns über die Piusbruderschaft nun mit einer Austrittswelle konfrontiert. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Austreten könne man allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das Vertrauensverhältnis zwischen dem aus Bayern stammenden Papst Benedikt XVI. und den deutschen Katholiken ist nach Ansicht von Gemmingens "ein wenig lädiert". Der geplante Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation möglicherweise verbessern. "Es schmerzt, wenn man sieht, dass viele Menschen Rom und den Papst nicht mehr verstehen", sagte der Vatikan-Experte. Gleichzeitig äußerte er Skepsis, ob der Papst seine geplante Israel-Reise antreten werde: "Ob sie wirklich zustande kommt, ist noch sehr offen", sagte Gemmingen. Gleichwohl gebe es keine Signale aus Israel, dass die Reise infrage stehe.

"Organisationsproblem im Vatikan"

Deutliche Kritik äußerte Gemmingen am Vorgehen des Vatikan: "Hier handelt es sich nicht nur um ein Kommunikationsproblem. Es gibt auch ein Organisationsproblem. Entscheidungen dürfen nicht an den Zuständigen im Vatikan vorbei getroffen werden. Es muss besser informiert und gemeinsam entschieden werden. Aber im Vatikan wird sich bei der Kommunikation nur sehr langsam und sehr wenig ändern."

Papst Benedikt hatte Ende Jänner die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. (SSPX) - darunter der britische Holocaust-Leugner Williamson - aufgehoben. Dies hatte international zu heftigen Protesten und Verstimmung geführt, vor allem in Deutschland und mit dem israelischen Großrabbinat. Der Vatikan forderte Williamson inzwischen auf, seine Äußerungen zum Völkermord an den Juden Thesen zu widerrufen. Die vier Männer waren von dem inzwischen verstorbenen ultrakonservativen französischen Erzbischof Marcel Lefebvre 1988 gegen den Willen des Heiligen Stuhls zu Bischöfen geweiht worden. Die Lefebvrianer lehnen die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und in dessen Gefolge eingeführten Veränderungen in der katholischen Kirche ab.

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Religion

Salzburgs Erzbischof warnt Kirche vor "Gesund-Schrumpfen"

Erzbischof Kothgasser sieht die Gefahr, dass sich die Katholische Kirche zu einer "Sekte" weniger Linientreuer entwickelt. Die Pius-Bruderschaft siedelt er "nicht auf dem Boden der Kirche" an.
Richard Williamson
Religion

Williamson: Kein Sendeverbot für Holocaust-Interview

Der umstrittene Bischof der Pius-Bruderschaft wollte verbieten, dass sein Interview gezeigt wird. Seine Mitbrüder distanzieren sich von ihm. Dadurch hat der Papst mehr Spielraum.
Im Priesterseminar La Reja war Williamson Regens.
Religion

Pius-Bischof Williamson darf keine Priester ausbilden

Seine Mitbrüder haben dem britischen Bischof Richard Williamson die Leitung eines argentinischen Priesterseminars entzogen. Seine Aussagen zum Holocaust waren ihnen zuviel.
Abt des Stiftes HEILIGENKREUZ
Religion

Abt des Stiftes Heiligenkreuz: "Williamson ist ein Terrorist"

Gregor Henckel-Donnersmarck, Abt des Stiftes Heiligenkreuz, findet harte und undiplomatische Worte für die Holocaust-Leugnung durch den britischen Geistlichen Richard Williamson.
Religion

Vatikan: Williamson leugnet weiter den Holocaust

Der umstrittene Bischof der Piusbruderschaft will erst „Beweise prüfen“, bevor er den Massenmord an sechs Millionen Juden anerkennt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.