Der designierte Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner steht im Kreuzfeuer der Kritik - seine Pfarre Windischgarsten verehrt den Konservativen. Er gilt als engagiert und umgänglich.
LINZ. Es herrscht tiefer, stiller Winter. Auf der kurvigen Fahrt nach Windischgarsten schert ein einsames Räumungsfahrzeug Schnee und Eis von der Straße. Leere Gassen, dunkle Fenster, ein Gasthaus hat schon geöffnet.
Am Stammtisch sitzt eine Runde Einheimischer: im Trachtenjanker oder Businessanzug. Kein Bier, man trinkt Wein. An den Positionen des Pfarrers Gerhard Maria Wagner, designierter Weihbischof von Linz, stört sich hier offenbar niemand: Homosexualität müsse geheilt werden, die Fristenlösung habe etwas Mörderisches, den lieben Gott gibt es nicht, den strafenden sehr wohl, Harry Potter ist Satanswerk, Naturkatastrophen sind eine Strafe Gottes.
„Sie trieben es zu wild“
Dass Wagner intolerant sei, hört Peter Großauer nun oft: „Aber nur außerhalb von Windischgarsten“, und er hört es nicht gern. „In Zeiten, in denen alles durcheinander geht, ist Konsequenz gefragt. Wir brauchen Grenzen.“ Ansonsten, und wenn es niemanden wie Wagner gebe, der auf diese Grenzen hinweise, würde man schon sehen, wo man bleibt: „Wie ist denn das Römische Reich zugrunde gegangen?“ Die Antwort gibt einer der Männer in der Runde: „Weil sie es zu wild und durcheinander getrieben haben.“
Die Diskussion ist hitzig, voll ist es um diese Zeit, an diesem Ort im Garstnertal, aber nur in der Kirche. „Er sagt eben, was er sich denkt“, findet Thomas Stockreiter. Der 18-Jährige ist gekommen, um bei einem der letzten Gottesdienste Wagners als Pfarrer von Windischgarsten dabei zu sein. Er war Ministrant bei Wagner, teilt nicht alle seine Ansichten, findet aber gut, wie engagiert der Pfarrer von Windischgarsten ist: 40 Ministranten, 280 ehrenamtliche Mitarbeiter in der Pfarre, erreichbar rund um die Uhr, Mediator bei Ehekrisen, Fels in der Brandung bei Schicksalsschlägen, begnadeter Ausrichter von Festen, und erst seine Hochzeiten: Das müsse ihm erst einmal jemand nachmachen, richtet einer den zahlreichen Kritikern Wagners aus.
„Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld“ – ein gleichmäßiges, textsicheres Flüstern geht durch die bis auf den letzten Platz besetzten Bänke der Pfarrkirche. Schon zum zweiten Mal an diesem Sonntagvormittag füllt der Gottesdienst des designierten Linzer Weihbischofs die Kirche.
Das Schuldbekenntnis zum Auftakt der Messe ist zwar seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht mehr obligatorisch, der Pfarrer von Windischgarsten verzichtet aber nicht darauf. Er predigt auch von der Kanzel, was nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils auch sehr selten ist, und hat nur Buben als Ministranten. Alles kein Problem für seine Pfarre, im Gegenteil: „Er liegt mit seiner Lehre absolut richtig. Wo heute alles so schwammig ist, das Leben vieler sinnentleert ist und die Menschen Halt suchen, tut er das Richtige“, sagt Schuldirektor und Religionslehrer Harald Thallinger. Man solle außerdem nicht alle seine Deutungen auf die Goldwaage legen: „Außenstehende haben kein Recht, mit derartigen Vorurteilen zu kommen. Er ist so ein begnadeter Seelsorger, eine so starke Persönlichkeit und ein so charismatischer Priester. Er fordert uns und sucht auch die Herausforderung und die Diskussion. Wer mitgeht, wird reich beschenkt.“ Auch den Sohn habe Wagner für den Glauben begeistern können, heute studiert er Theologie: „Leider will er sich nicht weihen lassen“, sagt Thallingers Frau Luzia.
Wagner sei nicht nur ein „starker spiritueller Führer“, sondern verfüge auch über „herausragende Managementqualitäten“: „Ich habe ihm schon vor 20 Jahren gesagt, dass er es noch weit bringen wird“, sagt Thallinger. Er glaubt, dass es nicht nur beim Weihbischof bleiben wird.
Gebet für den Weihbischof
Für den Sonntagsgottesdienst wird in der Pfarrkirche ein Programm aufgelegt. Neben den Bibelstellen gibt es Auskunft über die Aktivitäten der Pfarre: Jugendstunde, Knödelvariationenkochen, Nachmittagstreff, Ministrantenstunde. Diesmal, am „fünften Sonntag im Jahreskreis“, gibt es einen besonderen Programmpunkt: „Wer zur Bischofsweihe im Bus am 22. März möchte, möge sich in der Pfarrkanzlei melden.“
Es ist der erste Sonntag nach der Pressekonferenz im Bischofshof, nach Interviews, Titelseiten und Schlagzeilen, meist negativen, rund um Wagner. Und auf der Rückseite des Programms steht ein „Gebet für den neuen Weihbischof: Herr Jesus Christus, du Hirt und Haupt deiner Kirche, steh unserem Weihbischof Gerhard Maria Wagner bei . . .“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2009)