Regierungsklausur: Vom Kuschelkurs abgekommen

Werner Faymann, Josef Proell
Werner Faymann, Josef Proell (c) AP (Hans Punz)
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Das Streitthema Kassenreform wird vertagt. SPÖ und ÖVP
können sich vorerst nicht über weitere Zuschüsse für die Krankenkassen einigen.

Sillian. Montag, 6.45 Uhr, vor dem Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz: Als der Sozialminister in den Bus Richtung Sillian steigt, hat er alle Mühe, den Morgenmuffel zu unterdrücken. „Seien wir doch gut gelaunt, wenn schon das Rundherum so eine Strapaze ist“, ruft Rudolf Hundstorfer der Busbelegschaft zu. Die Sitzreihen werden größtenteils von Journalisten und Ministersekretären besetzt, denn vom Regierungsteam sind nur noch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (alle SPÖ) an Bord. Der Rest reist offenbar per Dienstwagen an.

Sechseinhalb Stunden später wirkt Hundstorfers Lächeln dann nicht mehr aufgesetzt. Das Panorama im Osttiroler Sillian macht die lange Fahrt vergessen: Verschneite Berge ringsum, strahlender Sonnenschein. Da kommt sogar Innenministerin Maria Fekter, sonst eher eine ernsthaftere Natur, ein kleiner Scherz aus: „Wer die Sonne aufgedreht hat, alle Achtung!“ Nikolaus Berlakovich überlegt inzwischen lautstark, ob es nicht seine Aufgabe als Umweltminister wäre, die Skipisten zu testen.
Doch daraus wird nichts. Stattdessen ist Arbeit angesagt: Die erste Klausur der Regierung Faymann steht an. Und erstmals seit der Angelobung scheint Rot-Schwarz vom Kuschelkurs abgekommen zu sein. Streitthema ist die Gesundheitsreform, genauer gesagt: die zuletzt bekannt gewordenen Pläne von Minister Alois Stöger (SPÖ), die Krankenkassen noch dieses Jahr mit einer Geldspritze von 400 Millionen Euro aufzupäppeln. Und zwar zusätzlich zu den schon vereinbarten 450 Millionen Euro innerhalb der nächsten drei Jahre.
„So geht das sicher nicht“, sagt Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP). Eine Entschuldung der Krankenkassen werde es nur geben, wenn diese auch eine Vorleistung erbringen. Sprich: Die Kassen müssten in ihrem Bereich sparen, bevor es zusätzliches Geld aus dem Budget gibt. „Um drei Uhr geht die Keilerei draußen im Schnee los“, feixt ein ÖVP-Regierungsmitglied angesichts der Meinungsdifferenzen mit dem Koalitionspartner. Jetzt ist offensichtlich: Die Volkspartei wird nicht so schnell nachgeben.
Doch in der SPÖ hält sich die Kampfeslust einigermaßen in Grenzen. Hundstorfer etwa macht im Gespräch mit der „Presse“ kein Hehl daraus, dass auch er die Kassen nicht bedingungslos aus der Verantwortung entlassen will: „Ohne begleitende Maßnahmen wird es jedenfalls nicht gehen.“
Alsdann nimmt Bundeskanzler Werner Faymann seine Lieblingsrolle ein: die des Moderators nämlich. „400 Millionen sind zu hoch gegriffen“, richtet er seinem eigenen Minister aus. Und: Die Kassen würden, wie von der ÖVP gefordert, selbst einen Beitrag leisten müssen. Klar ist für den Kanzler hingegen, dass es ohne zusätzliche Mittel nicht gehen werde. Die Krankenkassen hätten von den Vorgänger-Regierungen eine Reihe von Aufgaben aufgebrummt bekommen – ohne aber die entsprechenden Mittel dafür zu erhalten.

Ende ohne Faymann, Pröll

Wie viel die Kassen bekommen werden? Das will Faymann noch nicht beantworten: „Wenn das so einfach wäre, dann hätten wir keine Klausur in Sillian gebraucht, sondern uns einfach ins Café Landtmann setzen können.“
Am Ende des ersten Klausurtages sieht man dann betretene Gesichter. Die geplante Pressekonferenz zu den Krankenkassen findet nicht statt, an Stelle dessen referieren Wissenschaftsminister Johannes Hahn und Unterrichtsminister Claudia Schmied weitgehend Bekanntes zum Thema Bildung. Hahn tut sich schwer, die Fehlinszenierung schön zu reden. Die Gesundheitsdebatte habe kein Ende gefunden, sagt er. Warum sich Kanzler und Vizekanzler eigentlich nicht den Fragen stellen? „Die Journalisten brauchen doch morgen noch eine  Steigerung.“
Man habe sich nicht einigen können, ist aus dem Kreis der Verhandler zu hören, die sich sonst wortkarg geben. Angeblich wollte die SPÖ die Themen Steuerreform und Gesundheit koppeln, die ÖVP lehnte das ab. „Wir werden am Abend und Morgen weiter reden“, sagt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Und Hundstorfer verbreitet weiter Optimismus: „Die Klausur ist ja noch nicht zu Ende.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2009)

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