Australien: „Es sieht hier aus wie in Hiroshima“

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Totes Pferd(c) Reuters (STAFF)
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Die vor allem im Staat Victoria sowie New South Wales lodernden Busch- und Waldbrände haben bis Montag mindestens 171 Menschenleben gefordert; die Behörden befürchten mehr als 200 Tote.

Vor Jahren auf dem Highway bei Bundaberg im australischen Bundesstaat Queensland, gegen Mitternacht: In der Finsternis tauchen in der Ebene glühende Punkte auf, wie hunderte Lagerfeuer. Es riecht nach Rauch, an angekohlten Bäumen am Straßenrand züngeln Flammen hoch. Die Luft wird dicht, Rauch und schwerer Eukalyptusdampf schneiden in Rachen und Lunge. Bald überall orange Blinklichter von Einsatzfahrzeugen. Glosende Grasflecken. Und Hitze. Nach ein paar Kilometern ist der Spuk vorbei. Kurz zuvor war hier ein Buschfeuer vorbeigezogen; es sei aber nichts passiert, hieß es später.

Nun ist dagegen die Rede vom größten Unglück im Frieden, das Australien seit 110 Jahren erlebt hat: Die vor allem im Staat Victoria sowie New South Wales lodernden Busch- und Waldbrände haben bis Montag mindestens 171 Menschenleben gefordert; die Behörden meinen, es würde mehr als 200Tote geben. 1899 starben etwa 400 Menschen, als ein Zyklon die Halbinsel Cape York in Queensland traf.

Betroffen sind vor allem die Umgebung Melbournes sowie Regionen im Westen und Norden Victorias: Hier, wo seit Wochen extreme Hitze und Trockenheit herrschen, wurden mehr als 750 Häuser zerstört, die Feuer hatten bis Montagnachmittag ein Gebiet von zusammengerechnet der Größe des Burgenlandes eingeäschert. Dutzende Orte wurden vom Feuer erfasst, mehrere sogar fast ganz ausradiert. Im Dorf Strathewen stehen nur noch drei der 40 Häuser, der Ort Marysville ist nicht mehr. Besonders getroffen wurde am Wochenende der 1500-Einwohner-Ort Kinglake, 60 km nordöstlich von Melbourne: Hier wurden schon fast 40 Tote gezählt.

Brennende Schafherden

Hier und in anderen Orten müssen sich apokalyptische Szenen abgespielt haben: „Alle sind tot! Sie liegen in ihren Häusern herum!“, schrie Christopher Harvey, ein Überlebender, der durch Kinglake irrte. Anderswo berichten Feuerwehrleute von Herden brennender Schafe, die umhergerannt seien, bis die Tiere allmählich tot umgefallen seien. Und überall ausgebrannte Autos, in vielen verbrannte Leichen, die laut Polizei nur noch anhand von Schmuck oder Gebissen identifiziert werden können. „Es sieht aus wie in Hiroshima“, meinte ein Überlebender.

Die Regierung in Canberra löste Krisenmaßnahmen aus, wie sie für Terrorangriffe vorgesehen sind, und sandte Truppen in die Brandgebiete. Mit Schützenpanzern können sie leichter durch Feuerwände fahren und Löschwasser und andere Güter befördern. Einige Feuer dürften von Brandstiftern gelegt worden sein, mehrere Personen, darunter ein 15-Jähriger, wurden verhaftet. Premier Kevin Rudd meinte, sie müssten wie Mörder abgeurteilt werden.

Gemeinsamer Tod im Bett

Auch der Doyen der TV-Journalisten Australiens, Brian Naylor (78), kam um. Er verbrannte in seinem Haus im Bett, neben seiner Frau. Er wurde berühmt, als er 1983 vom „Aschermittwochs-Buschfeuer“ berichtete, das 75 Menschen tötete.

www.diepresse.com/australien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2009)

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