Größter Zivilprozess: Sammelklage gegen AWD

(c) EPA (Rainer Jensen)
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Der Verein für Konsumenten-Information bringt eine Sammelklage von bis zu 4.500 Geschädigten gegen den Finanzdienstleister AWD ein. Im Schnitt verlor jeder Kläger 10.000 Euro mit Immofinanz- und Immoeast-Aktien.

Nach der Verbandsklage im Dezember bringt der Verein für Konsumenteninformation auch eine Sammelklage gegen den Finanzdienstleister AWD beim Wiener Handelsgericht ein. 4.500 geschädigte Österreicher können sich beteiligen, schätzt Peter Kolba, der Chef der VKI-Rechtsabteilung.

Verbands- und Sammelklage

Bei einer Verbandsklage klagt ein Verein oder Verband (hier: VKI) gegen die Verletzung der Rechte der Allgemeinheit.
Bei einer Sammelklage hingegen klagen konkret Geschädigte (hier: AWD-Kunden), die Klage wird aber von einem Dritten (hier: VKI) organisiert und eingebracht.

Der größte Zivilprozess der II. Republik

Es könnte mit 4.500 Klägern das größte Zivilverfahren der Zweiten Republik werden. Im bisher größten Zivilverfahren, dem WEB-Prozess in Salzburg, hatte der VKI für 3.200 Kleinanleger geklagt.

Falsche Wertdarstellung von Aktien

Gegenstand der Klage sind angeblich falsche Darstellungen der Sicherheit und des Werts von Immofinanz- und Immoeast-Akien. Die AWD-Berater sollen diese Papiere als "so sicher wie ein Sparbuch" angepriesen haben, jedoch selbst über die Risiken Bescheid gewusst haben. Der gesamte Schaden wird mit 45 Millionen Euro angegeben - das ergibt einen Verlust pro Kläger von durchschnittlich 10.000 Euro.

Zu niedriges AWD-Angebot

Der VKI hat sich für die Klage entschieden, da das vom AWD unterbreitete Entschädigungsangebot nicht annehmbar gewesen sei. Der AWD wollte nach VKI-Angaben in einzelnen Fällen die halben Kursverluste ersetzen.

Klagen kostet nichts

Die geschädigten AWD-Kunden können sich gratis an der Klage beteiligen, denn sie wird vom deutschen Prozesskosten - Finanzierungsunternehmen Foris bezahlt. Der trägt das finanzielle Risiko, falls der mögliche Prozess verloren wird - denn er bekommt nur eine Provision, wenn der AWD zu Zahlungen verurteilt wird.

Alle Beschwerdeführer, die sich bis zum 15.1.2009 an der Sammelaktion des VKI beteiligt haben, bekommen noch im Februar 2009 ein konkretes Angebot zur Teilnahme an der Sammelklagen-Aktion mit der Post zugesendet. Tipp des VKI-Chefjuristen Kolba: "AWD-Beschwerdeführer, die eine Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung haben, sollten sich jetzt rasch an ihre Versicherung wenden. Für diese Gruppe ist eine Teilnahme an der Sammelaktion des VKI wirtschaftlich nicht sinnvoll."

Detailierte Informationen über weitere Möglichkeiten zur Teilnahme an der Klage hat der VKI auf seiner Homepage beschrieben.

AWD: VKI-Aussagen irreführend

Der AWD bedauert in einer Aussendung die Pläne des VKI. Denn sie seien zwar "plakativ, aber irreführend". Der VKI stehe einer raschen und unbürokratischen Lösung für österreichische Anleger im Weg. 

Konkret bemängelt der AWD folgende Punkte:

  • Aus den 4.500 Fällen könnten deutlich weniger werden, da nicht klar ist, ob überhaupt alle AWD-Kunden sind
  • Der VKI habe selbst erkannt, dass für viele eine Beteiligung an der Sammelaktion wirtschaftlich nicht sinnvoll sei
  • Der VKI habe vor dem Prozessbeginn gegen die Immofinanz deren Aktionären mitgeteilt, dass sie ihre Papiere verkaufen müssten. Dadurch hätten sie Verluste realisiert.
  • Es sei kaum nachvollziebar, dass AWD pauschal für Schäden belangt werden soll, für die sie nicht verantwortlich seien - konkret die Kursverluste der Immofinanz und Immoeast.
  • Es sei auch bedenklich, dass sich der VKI nur gegen den AWD richtet, denn auch Banken und andere Vermögensberater haben die fraglichen Aktien verkauft.
  • Der AWD weist die VKI-Behauptung zurück, dass die Aktien als mündelsicher beworben worden seien.

Außerdem sei die Diktion des VKI irreführend, denn im österreichischen Recht gebe es keine "Sammelklage". Der AWD schreibt weiter, dass nach österreichischem Zivilrecht jede Klage als Einzelklage behandelt werden müsse. ,

Arbeiterkammer für Gruppenklagen

Ohne das Abtreten von Ansprüchen an einen Kläger sind Gruppenklagen in Österreich derzeit nicht möglich. Aus diesem Grund forderte die Arbeiterkammer (AK) am Mittwoch in einer Aussendung die rasche Umsetzung des Regierungsübereinkommens, damit Konsumenten in Zukunft direkt und ohne Umweg über Abtretungen ihre gleichartigen Ansprüche gegen dasselbe Unternehmen einklagen können.

Ende der Finanz-Keiler?

Im Jänner hat die österreichische Finanzmarktaufsicht angekündigt, sich für die Abschaffung des "Finanzdienstleistungs-Assistenten" einzusetzen. Viele Mitarbeiter von Strukturvertrieben fallen in diese Berufsbezeichnung.

(Red.)

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