Die Staatsanwaltschaft wirft dem Dritten Nationalrats-Präsidenten Martin Graf Veruntreuung vor, dieser wittert eine "Politkampagne". Die Justiz würde gegen ihn "nicht korrekt" ermitteln.
Die Staatsanwaltschaft in Wien hat Ermittlungen gegen den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) aufgenommen. Ermittelt wird wegen Verdachts auf Untreue und grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen. Dabei geht es unter anderem um die Auszahlung von Gehältern im Austrian Research Center (ARC).
Graf sieht sich selbst als "Opfer einer Politkampagne". Die von Staatsanwalt Gerhard Jarosch beantragte Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität begrüßte der Nationalratspräsident. "Ich selber bin sehr dafür, dass man mich ausliefert, weil dann wird relativ rasch dieses Lügengebilde, was da aufgebaut wird, in sich zusammenbrechen", erklärte er im Ö1-"Mittagsjournal". Er habe sogar zur Aufklärung von Missständen in der ARC beigetragen.
Von 2003 bis 2006 war Graf erst Geschäftsführer der ARC-Tochter Business Services und dann Gesamtprokurist des ARC, bis er im Oktober 2006 das Unternehmen verließ, um sein Nationalratsmandat anzunehmen. Das ARC fuhr 2006 einen Betriebsverlust von 9,6 Millionen Euro ein. Für Debatten sorgten damals eine freiwillige Abfertigung von 220.000 Euro und einer Einmalprämie von 50.000 Euro, die Graf einstreifte.
"Hexentreiben" und "falsche Vorwürfe"
Der Dritten Nationalratspräsident ortet gegenwärtig ein "Hexentreiben" gegen ihn. Dieses gehe von verschiedenen Seiten aus, unter anderem auch von der heimischen Justiz. "Ich muss mich immer mit falschen Vorwürfen beschäftigen, und es bricht ja immer alles in sich zusammen", erklärte Graf.Bei den vorliegenden Anschuldigungen handle es sich nur um einen neuen Versuch, ihn "anzupatzen". Die Staatsanwaltschaft würde gegen ihn nicht korrekt ermitteln - "das unterstelle ich jetzt einmal", so Graf.
Der ermittlende Staatsanwalt Gerhard Jarosch verwehrte sich gegen Grafs Vorwurf einer Politkampagne gegen seine Person. "Die Justiz ist unpolitisch. Uns ist es relativ egal, ob jemand Abgeordneter der einen oder der anderen Partei ist. Wir müssen einen Sachverhalt untersuchen, um das aufzuklären, allenfalls auch die Unschuld des Doktor Graf zu ermitteln", erklärte Jarosch am Donnerstag. Dazu müsse die Staatsanwaltschaft allerdings zunächst ein Auslieferungsbegehren an den Nationalrat stellen, um weiter ermitteln zu können.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung von Grafs parlamentarischer Immunität wurde vor einigen Tagen gestellt. Laut Graf ist er bereits im Parlament eingelangt. Der Immunitätsausschuss habe nun 30 Tage Zeit, um über eine mögliche Auslieferung zu entscheiden. Martin Graf, der selbst im Ausschuss sitzt, will sich in dieser Causa vertreten lassen.
Untreue - § 153 StGB
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich mißbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
(Ag./Red.)