Am 12. Februar jährt sich der Tod von Thomas Bernhard zum 20. Mal. Der Unbequeme bleibt ein Unvergessener: Seine Stücke werden weiterhin viel gespielt. Inzwischen hat man sich in Österreich gewöhnt an Bernhards eigentümlichen, oft recht bösartigen Humor. Zu Lebzeiten war der Autor immer für einen Skandal gut. Der ORF gedenkt dem Autor mit einem Schwerpunkt: Ö1 strahlt bis 14. Februar kurz vor sieben täglich "Gedanken für den Tag" aus, in denen sich Autor und Literaturkritiker Cornelius Hell mit Thomas Bernhard auseinandersetzt.
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"Wir sind Österreicher, wir sind apathisch; wir sind das Leben als das gemeine Desinteresse am Leben, wir sind in dem Prozeß der Natur der Größenwahn-Sinn als Zukunft." Vor nunmehr vier Jahrzehnten lösten diese Worte Bernhards bei der Verleihung des Kleinen Österreichischen Staatspreises einen Eklat aus.
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Der wohl größte Skandal: Die Uraufführung von "Heldenplatz" am 4. November 1988 im Burgtheater unter der Intendanz von Claus Peymann. Kurz zuvor wurden - aus dem Zusammenhang gerissene - Zitate aus dem Stück veröffentlicht, die die Boulevardzeitungen auf die Barrikaden steigen ließen: In Wien seien"die Zustände ja wirklich heute so wie sie achtunddreißig gewesen sind", heißt es in "Heldenplatz. Zudem gebe es jetzt mehr Nazis in Wien als achtunddreißig" und man müsse in Österreich"entweder katholisch oder nationalsozialistisch" sein.
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Die Absetzung von "Heldenplatz" wurde verlangt, nicht nur von der "Kronen Zeitung", sondern auch vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, dem ehemaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem Vizekanzler Alois Mock. Während der ersten Aufführungen im Burgtheater wurden Transparente gegen das Stück an den Rängen angebracht. Vor dem Theater ladeten Protestierende eine Ladung Jauche ab.
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Das Stück selbst handelt von einer jüdischen Familie in Wien. Die Hauptfigur, der Professor, dem die Zitate von anderen Figuren zugeschrieben werden, ist abwesend: Er hat Selbstmord begangen, die Handlung spielt kurz nach seinem Begräbnis. Der Titel des Stückes bezieht sich auf die Witwe des Professors: Sie hört immer noch die Massen am Heldenplatz schrein, den Einzug Hitlers begrüßend. Die Uraufführung des Stückes wurde jedoch zu einem Triumph für Bernhard und Peymann.
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Dass Bernhard einmal ein gefeierter wie gefürchteter Autor würde, war nicht abzusehen: Am 9. Februar 1931 wurde er in einem Heim für ledige Mütter im holländischen Heerlen geboren. Seine Mutter Herta Bernhard war vorübergehend nach Holland übersiedelt, um dem Gerede der Leute zu entkommen. Bereits nach wenigen Monaten kam der Bub zu den Großeltern in Wien in Pflege. Im Frühjahr 1935 übersiedelte er mit ihnen nach Seekirchen am Wallersee. Seinen Vater, der 1940 starb, lernte er nie kennen.
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Die traumatische Kindheit findet später in seinen fünf autobiografischen Büchern ("Die Ursache. Eine Andeutung", "Der Keller. Eine Entziehung", "Der Atem. Eine Entscheidung", "Die Kälte. Eine Entziehung", "Ein Kind") ihren Niederschlag. 1948 begann die Krankengeschichte Thomas Bernhards mit einer Erkältung. Im Bild: Thomas Bernhard mit seinem Nachbarn und langjährigen Freund Ignaz Hennetmair
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Er wurde mit Lungenentzündung in das gleiche Spital eingeliefert, in dem auch sein Großvater, der Dichter Johannes Freumbichler, lag und später starb. Für den Enkel begannen langwierige Aufenthalte in Krankenhäusern und Lungenheilstätten, eine Lungentuberkulose kam hinzu. Später war es eine Immunerkrankung, die in Bernhards letztem Lebensjahrzehnt eine starke Medikamentation notwendig machte. Im Bild: Toni Böhm in der Dramatisierung von "Wittgensteins Neffe"
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1957 schloss er ein Regiestudium am Mozarteum erfolgreich ab und verbrachte in den Folgejahren im Kreise anderer junger Künstler viel Zeit am Kärntner "Tonhof" des Ehepaars Lampersberg. Lampersberg und seine Frau verarbeitete Bernhard 184 in "Holzfällen. Eine Erregung". Der Komponist ging gerichtlich gegen das Werk vor, die Bücher wurden beschlagnahmt. Kurze Zeit später zog Lampersberg die Klage jedoch überraschend zurück.
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Bernhards erster publizierter Roman, "Frost", brachte 1963 für ihn den Umschwung. Er wurde vom Insel Verlag angenommen und ein durchschlagender Erfolg. Dies ermöglichte ihm den Kauf des Vierkanthofes in Ohlsdorf, in dem der aus ärmlichen Verhältnissen Stammende nach eigenem Geschmack eine herrschaftliche Existenz simulierte. Im Bild: Schauspieler Joachim Bißmeier als Thomas Bernhard in "Der Umweg"
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Sein zweiter Roman "Verstörung" und der Eklat bei der Staatspreisverleihung 1968 festigten nachhaltig Thomas Bernhards Ruf. 1970 begann mit der Uraufführung seines ersten Stückes "Ein Fest für Boris" in Hamburg die kontinuierliche Theaterarbeit Bernhards, die 18 abendfüllende Stücke und einige Dramolette hervorbrachte, sowie seine lebenslange Zusammenarbeit mit dem Regisseur Claus Peymann. Diesen verweigte er auch literarisch: In den Dramoletten "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen".
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Die 70er und die erste Hälfte der 80er Jahre waren ungemein produktive Schaffensjahre, in denen ein gewaltiges Werk entstand, das in den Romanen "Alte Meister" und "Auslöschung" sowie in den Dramen "Der Theatermacher" und "Heldenplatz" gipfelte. Nach dem Tod seines "Lebensmenschen" Hedwig Stavianicek 1984 kämpfte Thomas Bernhard zunehmend mit schweren gesundheitlichen Problemen. Bild aus: "Elisabeth II" im Burgtheater
Thomas Bernhard starb am Morgen des 12. Februar 1989 in Gmunden und wurde vier Tage später im engsten Familienkreis am Grinzinger Friedhof beigesetzt. Erst danach wurde die Öffentlichkeit informiert. In seinem Testament verbat er sich jede Vereinnahmung durch den österreichischen Staat und untersagte Aufführung und Publikation seines Werkes in Österreich. Beides wird inzwischen weitgehend ignoriert. Heute, zwei Jahrzehnte danach, gilt er als einer der größten Autoren, die dieses Land hervorgebracht hat.
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Thomas Bernhard
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