Darwins 200. Geburtstag: Vom Affen zum Menschen

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Just zum Jubiläum erscheint eine Arbeit, die zeigt: Verdopplungen ganzer DNA-Stücke waren in unserer Evolution besonders wichtig.

Licht wird auch fallen auf den Menschen und seine Geschichte.“ Knapp vor Schluss der „Entstehung der Arten“ – erschienen vor 150 Jahren – steht der lapidare Satz. Zwölf Jahre später, 1871, führte Darwin den Gedanken breit aus: In „The Descent of Man“ postulierte er, man möge die gemeinsame Abstammung des Menschen und „aller anderen Wirbeltiere“ „ ohne Rückhalt zugeben“.

Auf diese Kränkung soll die Frau des Bischofs von Worcester mit dem Ausruf reagiert haben: „Von den Affen abstammen! Mein Lieber, hoffen wir, dass es nicht wahr ist, und wenn es wahr ist, beten wir, dass es nicht allgemein bekannt wird.“ Heute ist unbestreitbar: Der Mensch ist, wie Darwin es formulierte, „aus affenähnlichen Vorfahren“ entstanden – durch das Zusammenspiel von Variation und Selektion, durch das alle Arten entstanden sind. Alfred Russel Wallace, der zweite Vater der Evolutionstheorie, meinte in einer Auseinandersetzung mit Darwin noch, die natürliche Selektion – das „survival of the fittest in the struggle for existence“, wie man damals noch pathetisch sagte – könne den menschlichen Geist, der für die „Wilden“ doch gar nicht notwendig gewesen sei, nicht geformt haben. Darwin hat recht behalten.

Wenig allerdings weiß man bis heute darüber, welche Mutationen in welchen Genen wesentlich für die Menschwerdung waren. Das vielversprechendste ist wohl FoxP2, ein Gen, das mit der Produktion von Sprache zu tun hat – bei Affen prägt es eher die Gestik, es hat in der Entwicklung des Menschen zwei Mutationen durchgemacht, die offenbar „positiv selektioniert“ wurden, also ihren Trägern einen Vorteil brachten. Rätselhafter ist etwa das Gen Disc1, das in der Hirnentwicklung mitspielt: Wenn es nicht funktioniert, begünstigt es Schizophrenie, diese typisch menschliche Geisteskrankheit.

So wenig man ihn bisher festmachen kann, so klein ist der Unterschied nicht: So unterscheiden sich Mensch und Schimpanse schon in der Anzahl der Chromosomen: Wir haben 23, sie haben 24. Den scharfzüngigen Biologen Matt Ridley provozierte das zum Scherz, der von Papst Johannes Paul II. behauptete „ontologische Sprung“ vom Affen zum Menschen habe sich „in dem Augenblick abgespielt, als die beiden Affenchromosomen verschmolzen, und die Gene für die Seele liegen ungefähr in der Mitte des Chromosoms zwei“.

Das war wohl nicht so. Aber die zur Folklore gewordene Behauptung, dass Menschen und Schimpansen sich nur in 1,3 Prozent ihrer DNA unterscheiden, ist irreführend. Sie beruht auf Vergleichen von nur solchen DNA-Abschnitten, von denen man bereits weiß, dass sie einander entsprechen. Zur Illustration: Nach dieser Methode ergäbe der Vergleich zweier „Kinks“-CDs, die nur einen einzigen Song gemeinsam haben, z.B. „Apeman“, eine Übereinstimmung von 100 Prozent. Das ist offenbar absurd.

Indessen wird immer klarer, dass die Verdopplung von Genen und ganzen DNA-Abschnitten eine besonders wichtige Rolle in der Entwicklung der Menschenaffen und auch des Menschen gespielt haben. Das bestätigt eine Arbeit von Genetikern um Evan Eichler (University of Washington, Seattle), die Nature (457, S.877) zu Darwins 200.Geburtstag veröffentlicht. Sie beruht auf einem Vergleich von vier Primaten-Genomen: des Makaken, des Orang-Utans, des Schimpansen und des Menschen. Die Genetiker leiten daraus einen signifikanten „burst of duplication activity during human evolution“ ab.

Duplikationen fördern Innovationen

Also doch eine (genetische) Sonderstellung des Menschen? Nicht wirklich. Am häufigsten waren solche Verdopplungen im Genom des gemeinsamen Vorfahren von Gorilla, Schimpanse und Mensch, sie haben also auch die Evolution von Gorilla und Schimpanse geprägt. Und sie kommen auch sonst in der Entwicklung der Arten vor. Wo immer sie auftreten, wirken sie innovationsfördernd. Der Grund dafür: Nach einer Verdopplung sind von den betroffenen Genen jeweils (mindestens) zwei Ausgaben im Genom. Wenn eine davon eine Mutation durchmacht, ist noch immer die andere Ausgabe da – und sorgt dafür, dass die lebensnotwendigen Aufgaben des Gens erfüllt werden. Das heißt: Die Mutation wird nicht gefährlich. So kann sozusagen gefahrlos getestet werden, ob das mutierte Gen nicht doch für etwas gut ist: Wenn ja, dann kann es sich in den nächsten Generationen weiterentwickeln, bis es vielleicht ganz neue Aufgaben übernommen hat.

Welche Gene das sein könnten? Hier bleiben die Forscher (noch) recht allgemein. Spannend könnte der Vergleich mit dem Genom eines anderen, viel näheren Verwandten werden: des Neandertalers. Bei der Jahrestagung des amerikanischen Forschergesellschaft AAAS soll es heute – endlich – vorgestellt werden. Zumindest Teile davon.

Interview mit Anton Zeilinger: Seite 25
Leitartikel von Jürgen Langenbach: Seite 27

DARWIN: Leben & Werk

12.2.1809: Geburt von Charles Robert Darwin. Er bricht ein Studium der Medizin ab und beendet das der Theologie. Von 1831 bis 1836 reist er mit der „Beagle“ um die Erde.

1859 publiziert er „Origin of Species“, 1871 „The Descent of Man“.

19.4.1882: Tod. Darwin wird in Westminster Abbey neben Newton beigesetzt. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2009)

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