Seibersdorf-Vergangenheit holt Graf ein

(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Eine Auslieferung des Dritten Nationalrats-Präsidenten ist wahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der Untreue. Grafs Tätigkeit im Forschungszentrum ARC war schon länger umstritten.

Wien. Das ist einmalig in der Geschichte des Parlaments: Die Staatsanwaltschaft stellt einen Auslieferungsantrag gegen ein Mitglied des Präsidiums: Gegen Martin Graf, Dritten Nationalratspräsident und seit Wochen wegen seiner Mitgliedschaft bei der rechten Burschenschaft Olympia unter Beschuss, sollen Ermittlungen eingeleitet werden. Und wie es aussieht, dürfte Graf auch ausgeliefert werden. SPÖ und ÖVP halten sich zwar noch bedeckt, doch es entspricht den Usancen des Hohen Hauses, dann auszuliefern, wenn die Vorwürfe nichts mit der politischen Tätigkeit zu tun haben.

50.000 Euro Prämie

Bei Graf geht es um seinen Abgang als Geschäftsführer in den Austrian Research Centers (ARC) in Seibersdorf. Er musste nach der Nationalratswahl 2006 gehen, mit der Begründung, dass seine Tätigkeit mit der eines Parlamentariers unvereinbar sei, und erhielt das ihm vertraglich zugesicherte Salär plus Abfertigung von 220.000Euro. Umstritten und von der Staatsanwaltschaft untersucht wird jetzt eine Sonderprämie von zusätzlich 50.000 Euro, die ihm zugestanden wurde. Und zwar offiziell als Abgeltung für besondere Leistungen wie Umstrukturierung und Einsparungen.

In Wirklichkeit war es aber eine Abgeltung, da Graf die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht gerichtlich angefochten hatte. Man wollte damals die Causa im Interesse des Unternehmens rasch und ohne gerichtliche Auseinandersetzung beenden, erinnert sich ein Beteiligter. Man habe gewusst, dass die Prämie nicht in Ordnung sei, aber der Frieden in den ARC sei damals wichtiger gewesen.

Der Rechnungshof beurteilte die Prämie in seinem noch unveröffentlichten Prüfbericht, der im Vorjahr durchgesickert ist, jedenfalls als „ungerechtfertigt“. Faktum ist, dass die Verträge und die Abfertigungen niemals dem Aufsichtsrat vorgelegt wurden. Dies wurde der „Presse“ aus Aufsichtsratskreisen bestätigt. Graf zitierte am Donnerstag aus einem Rechtsgutachten, laut dem die Geschäftsführung der ARC „das ihnen zustehende Ermessen nicht überschritten habe“.

Weitere Vorwürfe

Die Staatsanwaltschaft ermittelt zudem wegen weiterer Ungereimtheiten. Etwa dass Fördergelder widmungsfremd verwendet worden seien. Graf bestreitet diesen Vorwurf vehement: Er habe „keinen einzigen Euro Fördergeld“ erhalten. Was er nicht dazusagte: Die Erlöse seines ARC-Teilunternehmens stammen klarerweise auch aus Fördergeldern. Wegen Fördermissbrauch ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen die früheren Geschäftsführer Helmut Krünes und Erich Gornik. Letzterer weist die Kritik zurück: „Ich bin mir sicher, dass es keine widmungsfremde Verwendung gegeben hat.“ Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Lange Vorgeschichte

Die Aufregung um die nun kritisierten Zahlungen an Graf hat eine lange Vorgeschichte: Mit der schwarz-blau/orangen Regierung (2000 bis 2006) kam Seibersdorf in den Einflussbereich der FPÖ, die ihren Ex-Politiker Helmut Krünes als kaufmännischen Geschäftsführer installierte. Graf begann im Mai 2003 als Geschäftsführer der ARC-Tochter Business Services – ein interner Dienstleister für Bereiche wie Personalverwaltung oder Rechnungswesen.

Graf hatte damit die Hand auf den wesentlichen Führungsinstrumenten und er weitete seine Machtposition sukzessive aus, auch mit Rückendeckung der damals für ARC zuständigen FP-Minister. So wurde ihm vorgeworfen, ein gutes Dutzend von politischen Freunden in das Unternehmen nachgeholt zu haben – Insidern zufolge sind sieben weiterhin in den ARC tätig. Traditionell sind die ARC eine Hochburg der SPÖ.

Gemeinsam mit Krünes bremsten sie wiederholt den wissenschaftlichen ARC-Leiter Erich Gornik aus. Grafs Firma verrechnete die Dienstleistungen an die forschenden Schwesterfirmen, wobei immer wieder kritisiert worden war, dass die Tarife überhöht gewesen wären. Die Verwaltung wuchs in dieser Zeit massiv – sodass die ARC über doppelt so hohe Verwaltungsaufwendungen verfügte wie vergleichbare Organisationen.

Im Frühsommer des Jahres 2006 spitzte sich die Lage zu: Die Strukturreform der ARC wurde wegen Erfolglosigkeit rückgängig gemacht, die vielen Tochterunternehmen, auch Grafs Firma, wurden wieder fusioniert. Graf bekam einen neuen Vertrag und wurde Gesamtprokurist der ARC, eine äußerst mächtige Position. Dann ging es Schlag auf Schlag: Nachdem eine Finanzlücke von zwei Mio. Euro festgestellt worden war, drohte den ARC die Insolvenz. Der aufgestaute Frust über Grafs Regime explodierte, nachdem der langjährige (SP-nahe) Kommunikationschef Wolfgang Renner entlassen wurde: Die Folge waren Unterschriftenaktionen in der Forschungs-Community. Und auch den beiden Hälfte-Eigentümern der ARC platzte der Kragen. Staatssekretär Eduard Mainoni (BZÖ) sprach von einer Kündigung „absolut zur Unzeit“, IV-Generalsekretär Markus Beyrer sagte, Graf habe „nun Anstands- und Schmerzgrenzen überschritten“.

Androsch als Sanierer geholt

Alle damals maßgeblichen Personen sind bereits aus den ARC ausgeschieden. Ex-Infrastrukturminister Werner Faymann hat Hannes Androsch als Aufsichtsratspräsident geholt und mit der Sanierung beauftragt. Das Forschungszentrum mit rund 1000 Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von zuletzt 117 Millionen Euro erhält jährlich vom Bund eine Basissubvention von 45 Millionen Euro. Laut eigenen Angaben hat Seibersdorf seit den Zeiten Grafs eine Million Euro an Verwaltungsaufwand eingespart.

AUF EINEN BLICK

Die Staatsanwaltschaft untersucht die Zahlungen, die der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf bei Beendigung seiner Tätigkeit im Forschungszentrum ARC (Seibersdorf) erhalten hat. Umstritten sind vor allem 50.000 Euro, die Graf als Prämie zusätzlich zu seinen Ansprüchen zugestanden worden sind. Da Graf als Parlamentarier immun ist, musste die Staatsanwaltschaft ein Auslieferungsbegehren stellen, um weitere Ermittlungsschritte vornehmen zu können. Eine Auslieferung ist wahrscheinlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2009)

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