Staat greift ein: Islamlehrer suspendiert

(c) Die Presse (Harald Hofmeister)
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Nach antisemitischen Äußerungen darf ein Religionslehrer nicht mehr unterrichten. Die Rechtsauslegung des Ministeriums ist ein Bruch mit Nicht-Einmischung in Religionsunterricht.

WIEN. Erstmals wurde ein islamischer Religionslehrer mit einem Unterrichtsverbot belegt, nachdem er Mitte Jänner in einer Ottakringer Schule antisemitische Flugblätter verteilt haben soll („Die Presse“ berichtete). Dass er nicht weiter unterrichten darf, geht auf einen Paradigmenwechsel im Unterrichtsministerium zurück. Bisher hatte die Rechtsauslegung gegolten, dass der Staat keine Religionslehrer absetzen kann.

1. Wie kam es zum Paradigmenwechsel im Unterrichtsministerium?

Der Staat bezahlt zwar die Religionslehrer an Schulen, nominiert und wieder abberufen werden können sie allerdings nur von der jeweiligen Glaubensgemeinschaft. Nach dem antisemitischen Vorfall bedauerte der Wiener Stadtschulrat, dass man den Lehrer nur abmahnen, sonst jedoch nichts unternehmen könne. Die Islamische Glaubensgemeinschaft leitete ein Disziplinarverfahren ein, ließ den Lehrer aber weiter unterrichten. Im Unterrichtsministerium zog man daraufhin die Notbremse: Der Aufruf, nicht bei jüdischen Unternehmen einzukaufen, widerspreche den Grundwerten der Verfassung. Durch das Verbleiben des Lehrers, so die Argumentation, würden die Interessen von Schülern und Schule geschädigt, daher könne ihm laut Religionsunterrichtsgesetz die Unterrichtserlaubnis entzogen werden.

2. Wie ist das Unterrichtsverbot rechtlich begründet?

Der Staat könne kein Disziplinarverfahren im klassischen Sinn einleiten, sagt Religionsrechtler Richard Potz von der Uni Wien: „Suspendieren kann er den Lehrer nicht.“ Mit der neuen Rechtsauslegung hat das Ministerium nur vom Stadtschulrat, der zuständigen Schulaufsichtsbehörde, gefordert bzw. ihm erst die Möglichkeit gegeben, dem betreffenden Religionslehrer die Unterrichtserlaubnis zu entziehen. „Es gibt nun eine endgültige, klare Aussage des Staates zu allen konfessionellen Religionslehrern“, sagt Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl.

3. Was geschieht nun mit dem betroffenen Religionslehrer?

Der Religionsunterricht dürfte für ihn beendet sein. Zwar verweist man in der Islamischen Glaubensgemeinschaft noch auf das laufende Disziplinarverfahren, nach dem über weitere Schritte entschieden wird. Doch erklärt Präsident Anas Schakfeh im Gespräch mit der „Presse“, dass er mit der Entscheidung des Ministeriums einverstanden sei. Abgesehen vom Unterrichtsverbot drohen dem Pädagogen strafrechtliche Konsequenzen: Ministerin Schmied hat den Stadtschulrat ersucht, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft zu schicken. Die soll überprüfen, ob mit dem Verhalten des Lehrers der Tatbestand der Verhetzung erfüllt wurde.

4. Wie geht es mit dem islamischen Religionsunterricht weiter?

Das Unterrichtsverbot für einen antisemitisch agierenden Lehrer ist nur eine Sofortmaßnahme. Seit Ende Jänner, mit Bekanntwerden der Studie, laut der jeder fünfte islamische Religionslehrer Demokratie für nicht mit dem Islam vereinbar hält, sind bereits mehrere Änderungen eingeleitet worden. So wird es neue Dienstverträge geben, in denen Grundwerte wie Demokratie und Menschenrechte festgeschrieben sind. Bis Ende April soll ein neuer Lehrplan, der modernsten Kriterien entspricht, in Kraft treten. Bis dahin sollen auch sämtliche islamische Schulbücher und Lehrmaterialien auf ihre Inhalte abgeklopft werden. Und: Alle islamischen Religionslehrer werden auf ihre Deutschkenntnisse überprüft.

5. Welche Auswirkungen hat das Vorgehen des Ministeriums für die Zukunft?

Mit der neuen Rechtsauslegung hat der Staat mit dem Tabu gebrochen, sich nicht in den Religionsunterricht einzumischen. Inhaltlich kann er das auch weiterhin nicht, es sei denn, es würde wieder um den Verstoß gegen Grundwerte gehen. Dies gilt nicht nur für islamische Religionslehrer, sondern für alle Konfessionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2009)

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