Sozialministerium: AWD soll "Hinhaltetechnik" aufgeben

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Finanzdienstleister AWD(c) APA (Barbara Gindl)
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Das SozialMinisterium fordert den Finanzberater AWD auf, "in ernstgemeinte Verhandlungen" über eine Entschädigung von Anlegern einzutreten. Angestrebt wird eine außergerichtliche Lösung.

Das Sozialministerium hat am Freitag an den Finanzberater AWD appelliert, seine "Hinhaltetechnik" in Sachen Sammelklagen wegen Immoeast/Immofinanz-Aktien aufzugeben und "in ernstgemeinte Verhandlungen über eine Entschädigung der massenhaft geschädigten Anleger" einzutreten. Eine außergerichtliche Lösung statt der bevorstehenden Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) "wäre im Interesse aller Beteiligten", so das Ministerium in einer Aussendung.

Prozesskostenfinanzierer übernimmt Kostenrisiko

Weil die Ankündigung von Sammelklagen "zu einer wahren Flut weiterer Beschwerden geführt hat", habe das Ministerium den VKI beauftragt, die Beschwerde-Sammelaktion noch von heute bis zum 20. Februar weiterzuführen. Wie gestern berichtet können sich Konsumenten, die sich ebenfalls vom AWD beim Kauf von von Immofinanz- oder Immoeast-Papieren falsch beraten fühlen, auf der Website http://www.verbraucherrecht.at anmelden und somit noch an der Sammelklage teilnehmen.

Bis zum 15. Jänner wurden bereits rund 4500 Beschwerden gesammelt. Personen, die sich bis dahin gemeldet haben, bekommen noch im Februar ein konkretes Angebot zur Teilnahme an der Sammelklage. Das Kostenrisiko übernimmt der deutsche Prozesskostenfinanzierer Foris.

Zwei Strategien des VKI

Dass die Betroffenen ihre Aktien verkaufen müssen, bevor sie sich an der Sammelklage beteiligen, sei so nicht richtig, stellte Peter Kolba, Chef der VKI-Rechtsabteilung heute klar. Konsumenten, die das Anbot des VKI annehmen, müssen sich bereit erklären, die Immofinanz-/Immoeast-Papiere vor der Klage entweder zu verkaufen oder aber auf ein Treuhand-Depot zu geben. Welche Variante dann gewählt wird, entscheide der VKI.

Der VKI kann vor Gericht auf zwei Strategien setzen.

  • Bei der sogenannten Naturalrestitution würden die AWD-Kunden ihre Papiere hergeben und dafür den Kaufpreis von dem Finanzberater zurückbekommen. Für die Koordination dieses Szenarios wäre eben ein Treuhand-Depot nötig.
  • Die zweite Möglichkeit wäre der Verkauf der Aktien vor Klagsbeginn, womit ein Schaden realisiert würde. Die Höhe des Schadenersatzes würden dann der Differenz von Kauf- und Verkaufspreis entsprechen ("Differenzschaden").

Voraussetzung für beide Optionen ist ein Urteil im Sinne der geprellten Anleger.

AWD: Es gibt keine Sammelklage

Dass es, wie vom AWD behauptet, den Begriff der "Sammelklage" im österreichischen Recht nicht gebe, ist laut Kolba "falsch". Im Jahr 2000 hätten der VKI und ein Prozesskostenfinanzierer die Sammelklage erfunden, indem sie zwei Dinge kombiniert hätten:

  • Zum einen die Regelung, dass sich ein Verbraucherverband die Rechte von Konsumenten abtreten lassen kann
  • und zum zweiten die Bestimmung, dass in einer Klage mehrere Ansprüche gehäuft werden können.

Bei so vielen Anspruchsstellern wie im Fall AWD sei es organisatorisch nicht möglich, eine einzige Sammelklage zu führen. Der VKI werde daher ähnliche Sachverhalte zu einzelnen Sammelklagen bündeln.

VKI: Auch AWD-Berater unter den Opfern

Die Sammelklage habe einen weiteren Vorteil: Da der VKI als Kläger auftritt, treten die Geschädigten vor Gericht - genauso wie die AWD-Berater - als Zeugen auf. Beide stehen unter Wahrheitspflicht, es herrsche also "Waffengleichheit", so Kolba. Dem AWD-Berater könne nichts passieren, da der VKI nicht die einzelnen Verkäufer, sondern den AWD klagt. Zum Teil, so die Ansicht des VKI, seien auch die Berater Opfer.

Wieviel Foris bei erfolgreichem Ausgang verdient, hänge von der Dauer des Verfahrens ab. Kommt es schnell zu einem Vergleich, könne die Quote unter 30 Prozent liegen.

Die "Hinhaltetechnik" des AWD bestehe darin, dass er zwar von Gesprächsbereitschaft spreche, aber alle Fälle einzeln prüfe. Für zehn Musterfälle, die der VKI AWD geschickt habe, habe dieser nahezu fünf Wochen gebraucht, so Kolba. Bei keinem Fall habe das Unternehmen einen Beratungsfehler erkannt. In etwa zwei Fällen habe sich AWD "vom Familienschicksal so berührt" gezeigt und eine Zahlung angeboten.

(APA)

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