Archäologie: Nofretete erschlichen?

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Ob die Büste der "Schönen" rechtens nach Berlin kam, ist umstritten. Nun wecken neue Dokumente neue Zweifel. Die zuständige Stiftung beteuert den rechtmäßigen Besitz der Büste.

Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben hilft nichts, ansehen.“ Das notierte der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt im Dezember 1912 über einen Fund, den eine von ihm geleitete Grabung in Tell-el-Amarna, auf halbem Weg zwischen Kairo und Luxor, gemacht hatte: die Büste der Nofretete – Hauptfrau des Pharao Echnaton, 14. Jh. v.Chr. Auf Deutsch heißt sie: „Die Schöne ist gekommen.“

Aber damit sie dann auch noch nach Berlin kommen konnte, wo sie später zum Glanzstück des Ägyptischen Museums wurde, begann Borchardt ein Verwirrspiel. Er, der gerade das „Ansehen“ beschworen hatte, sorgte dafür, dass zunächst überhaupt niemand die Büste ansehen konnte: Ägypten hatte Abkommen mit Ausgräbern, denen zufolge die Funde geteilt werden sollten, halb und halb, nach Augenschein und Maßgabe ägyptischer Experten. Die waren kurz vor dem Nofretete-Fund von einem US-Team übers Ohr gehauen worden, deshalb sorgte Borchardt dafür, dass die Büste in Berlin lange nicht ausgestellt wurde.

Er selbst erinnerte sich in einem Brief 1918 so: „Wir erhielten dieses einzigartige Stück bei der Teilung zugesprochen, trotzdem soeben den Beamten der ägyptischen Altertümer-Verwaltung die größte Strenge eingeschärft worden war (wegen des Betrugs der US-Ausgräber, Anm.). Es war daher zu befürchten, dass, wenn die Öffentlichkeit auf dieses uns trotzdem zugesprochene Stück aufmerksam würde, weitere Verschärfungen eintreten würden. Deshalb bat ich, es vorläufig nicht ausstellen zu lassen.“ Der Museumsdirektor gehorchte, auch wenn ihm die Ausrede – man habe keinen Platz – „jedes Mal gleich peinlich“ war.

Die „ganze Schönheit“ verborgen

Erst 1924 wurde der Gegendruck so groß, dass die Büste gezeigt wurde, zuvor war nur ein Foto publiziert worden, und zwar eines, das mit Borchardt'scher Weitsicht angefertigt worden war: „Der Ausschnitt ist so gewählt, dass man daran die ganze Schönheit der Büste nicht sehen kann, er genügt aber, um nötigenfalls jedes spätere Gerede von Dritten über Geheimhaltung zu widerlegen.“ Das „Gerede“ wurde trotzdem lauter, und es kam immer wieder, nicht nur in Ägypten, auch in Deutschland. Dort kochte in den Siebzigerjahren alles so hoch, dass die „Zeit“ – aus ihr sind die bisherigen Zitate – am 21.4.1978 ihren Lesern erklärte, „warum das Berliner Museumsstück eigentlich nach Kairo gehört“.

Die Erregung war groß, sie ebbte ab und kochte vor zwei Jahren wieder hoch, als Zahi Hawass, Chef der ägyptischen Altertumsverwaltung, in Berlin bei der zuständigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) anfragte, ob man die Büste im Jahr 2012 für drei Monate nach Ägypten verleihen würde. Man wollte nicht, Hawass revanchierte sich mit der Drohung, es werde „nie wieder“ Leihgaben von Ägypten für Deutschland geben.

Nun läuft die nächste Runde, initiiert vom „Spiegel“, er hat Aufzeichnungen eines Zeugen der Begutachtung aufgestöbert: Borchardt habe eine „Vermogelung des Materials“ betrieben, die Büste halb verpackt und „nicht gerade in bester Beleuchtung“ vorgeführt. Hätte besseres Licht geholfen? Der „ägyptische Experte“ war erstens kein Experte für Büsten – sondern Papyrologe – und zweitens kein Ägypter, sondern Franzose. Hawass fordert die Rückgabe der Nofretete, „falls der Bericht im ,Spiegel‘ stimmt“.

Er stimmt nicht, versichert die SPK gegenüber der „Presse“: Der Vorwurf der „Täuschung bei der Fundteilung entbehrt jeder Grundlage. Die Behauptung, die Fundteilung sei nicht ordnungsgemäß vonstatten gegangen, ist falsch.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2009)

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