Körperteilsudoku ist heilbar

(c) APA (Gerd Neuhold)
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„Homosexualität ist heilbar“ – ein Kalauer, der „Lebensmensch“ in nichts nachsteht.

Gelegentlich verleihe ich für herausragende sprachliche Kreationen meinen persönlichen Pulitzer-Preis. Vergangene Woche konnte ich das gleich zwei Mal tun. Ein Preis geht an die Kollegin, die Charlotte Roches literarischen Erguss „Feuchtgebiete“ mit dem Wort „Körperteilsudoku“ bezeichnete. Treffender lässt sich der spielerische Ansatz der Erforschung weiblicher Sexualität kaum beschreiben.

Für die Laudatio zur zweiten Auszeichnung ist allerdings weiter auszuholen. Immerhin kreierte Preisträger Gerhard Maria Wagner, hauptberuflich designierter Linzer Weihbischof, ja kein neues sprachliches Kleinod.

Doch seine Wortwahl in Bezug auf gleichgeschlechtliche Liebe hat einen neuen Kalauer in den öffentlichen Diskurs gebracht, der Schöpfungen wie „Lebensmensch“ oder „Ein Quantum?“ um nichts nachsteht. Schon durften wir lesen, dass weniger Homosexualität, als vielmehr Einfalt heilbar sei. Und die nächsten Tage werden wohl noch mehrere Titelzeilen bringen, in der an ein Substantiv der Zusatz „ist heilbar“ angehängt wird.

Und wie es sprachliche Spielereien so mit sich bringen, liegt die weitere Nutzung abseits der Medien ja auch schon auf der Hand. Nach dem Vorbild von Lokalen wie der „Sonderbar“ oder der „Wunderbar“ in der Wiener City könnte ein findiger Gastronom sein neues Pub ja „Heilbar“ taufen. Das Spektrum eines solchen Etablissements könnte von der Schwulenbar (ironisch) über ein auf Magenbitter spezialisiertes Beisl in einer alten Apotheke (medizinisch) bis zum Treffpunkt Ewiggestriger (in diesem Fall eher „Sieg Heil“-Bar) reichen. In welchem dieser Pubs stieße wohl Bischof Wagner auf seinen Pulitzer-Preis an?


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2009)


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