Vatikan: Was Rom tatsächlich bewegt

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Judendialog und Pfingstkirchen als Herausforderungen.

ROM. Der Vatikan im Jänner/Februar 2009: Erklärungen, Interpretationen, beruhigende Kommentare. Die Aufhebung der Exkommunikation für Mitglieder der Piusbruderschaft und damit des Holocaustleugners Williamson ist für einige Wochen das beherrschende Thema. Über die aktuelle Krise in Österreich ist man im Vatikan zwar informiert, bis inklusive Montag gab es aber keine offizielle Äußerung.

Die Vorbereitungen für den Papstbesuch im Mai in Jerusalem laufen weiter. Mit dem Staat Israel seien nach einer ersten Erklärung Irritationen ausgeräumt worden, wird in Vatikankreisen versichert. „Es ist uns gelungen, die Sache mit den Juden wieder ins Lot zu bringen“, sagt etwa der für die Einheit der Christen zuständige Kardinal Walter Kasper. Wichtig sei der Dialog mit dem Juden, „mit dem älteren Bruder“.

Dennoch wird die Causa Williamson als „Gau bis Supergau“ (Benedikt Steinschulte vom Päpstlichen Rat für Soziale Kommunikationsmittel) bezeichnet, weil der Vatikan rechtzeitig Klarstellungen verabsäumt hat. In erster Linie, dass die Aufhebung der Exkommunikation nichts mit einer Reinwaschung der Betroffenen oder gar einer Anerkennung von Bischofsämtern der Piusbruderschaft zu tun. Es werde einzig und allein das Recht zugestanden, wieder die Sakramente empfangen zu dürfen.

In Italien selbst verebbte die Kritik an der misslungenen Vatikanstrategie aber schon nach wenigen Tagen – zu sehr beherrschten der Fall der Wachkoma-Patientin Eluana Englaro und damit die Euthanasie-Diskussion die Medien. Vatikan-Sprecher Frederico Lombardi verweigert hier eine klare Stellungnahme: Das sei eine Angelegenheit der italienischen Bischofskonferenz, nicht des Vatikans, so seine Botschaft.

Kardinal Kasper spricht hingegen jenes Thema an, dass die Kurie tatsächlich bewegt: Das Vordringen der Pfingstkirchen, das die katholische Kirche „als neue Herausforderung“ sieht. Etwa 400 Millionen Anhänger würden diese Kirchen bereits zählen, nach Südamerika und Afrika stelle man jetzt ein Vordringen in Europa fest. Kurienbischof Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Rats für Kultur, sieht die Gefahr der Pfingstkirchen in ihrer Vereinfachung der christlichen Lehre und in ihrer fundamentalistischen Ausprägung. Die eigene Kirche müsse sich fragen, was sie falsch mache, sagt Kasper. Sie müsse sich – wie die Pfingstkirchen – in kleinen Gemeinschaften positionieren und zudem zu einer ansprechenderen Gottesdienstgestaltung finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2009)

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