Die Stunde des Kardinals

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Bei der Krisen-Sitzung bekennen die Bischöfe Fehler der Kirche. Die Linie des Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn hat sich voll durchgesetzt.

Christoph Schönborn konnte Montag nach dem sechsstündigen Sondertreffen mit Bischofskollegen erleichtert lächeln. Er hatte es geschafft. Dem Wiener Erzbischof war es gelungen, die Bischofsweihe von Gerhard Maria Wagner abzuwenden. Natürlich: Nach offizieller Lesart hat der 54-jährige oberösterreichische Pfarrer Wagner selbst den Heiligen Vater darum gebeten...

Man muss nicht unbedingt Pastoraltheologe wie Paul M. Zulehner sein, um Derartiges als „übliche kirchliche Lyrik“ zu bezeichnen. In dem gestern nach der Sonderkonferenz veröffentlichten Hirtenbrief heißt es lapidar: Die Bischöfe nehmen die Bitte Wagners zur Rücknahme der Ernennung „zur Kenntnis“.

Unter Einsatz seiner gesamten Autorität und unter Ausspielen seiner vielfältigen persönlichen Kontakte in Rom bis hinauf zu seinem früheren Lehrer und Noch-immer-Mentor Benedikt XVI. konnte Schönborn eine Art neuen SuperGAU der katholischen Kirche in Österreich verhindern. Denn der stets erzkonservative, zuweilen reaktionäre Wagner war in der Diözese Linz auf eine Front der Ablehnung gestoßen, wie sie wahrscheinlich nicht einmal Kurt Krenn 1987 (Bestellung zum Weihbischof in Wien) und 1991 (Ernennung zum Diözesanbischof in St.Pölten) gesehen hatte. Das will wahrlich etwas heißen. Und vor allem: Diesmal war die Spitze des Episkopats nicht gewillt, nur Getriebene zu sein. Schönborn und sein kongenialer Vize in der Bischofskonferenz, Egon Kapellari, wollten nicht zulassen, wieder nur vor einem Scherbenhaufen stehen zu müssen.

14 Jahre nach der Übernahme der Erzdiözese Wien durch Hans Hermann Groër, elf Jahre nach dem Aufrücken in das Kardinalskollegium und an die Spitze der Österreichischen Bischofskonferenz ist der 64-jährige Schönborn damit der unbestrittene Primas Austriae. Auch (frühere) Kritiker halten Schönborn nun zugute, während der allerletzten Wochen und Monaten dramatisch an Statur und Autorität gewonnen zu haben. Außerhalb, aber vor allem auch im Inneren der katholischen Kirche. Der Erzbischof galt da gerne als entscheidungsschwach und konfliktscheu.

In bis dahin von ihm nicht gekannter Deutlichkeit hat Schönborn erst vor eineinhalb Wochen öffentlich Kritik am Vatikan geübt. Konfliktscheue sieht anders aus. Das Ausstrecken der Hand in Richtung der rechts außen angesiedelten Pius-Priesterbruderschaft und vor allem das Leugnen des Holocaust durch „Bischof“ Richard Williamson hatte auch bei Schönborn Alarm ausgelöst. Er fand die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt.

Den richtigen Zeitpunkt sah der polyglotte Adelige aus altem europäischen Geschlecht im November des Vorjahres auch für eine andere, gleichfalls von ihm kaum erwartete Aktion gekommen: Er bemühte sich persönlich für die Pfarrerinitiative um einen Gesprächstermin im Vatikan. Für jene Pfarrerinitiative, die für römische Ohren Ungeheuerlichkeiten wie die Weihe Verheirateter zum Priester fordert. Für jene Pfarrerinitiative, der der von Schönborn des Amts enthobene Ex-Generalvikar Helmut Schüller angehört.

Als eine sechsköpfige Priester-delegation bereits im Vatikan war, hatte knapp zuvor das Kardinalstaatssekretariat den vorher vereinbarten Termin bei der Glaubenskongregation völlig überraschend untersagt. Schönborn intervenierte direkt bei Benedikt XVI. – und das Treffen kam doch noch zustande.

Durch die jüngsten Ereignisse gestärkt kann Schönborn seinen Kurs nun unbeirrt fortführen: Österreich neu zu missionieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2009)

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