Österreich wird Gentechnikland

(c) APA (Andreas Gebhard)
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Die letzte Bastion, die Schutzklausel, fällt. Österreich droht eine Niederlage in der EU. Das Verbot von Genmais ist nicht zu halten.

Österreich kann seinen Widerstand gegen gentechnisch verändertes Saatgut in der EU nicht mehr aufrechterhalten. In Brüssel zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung keine ausreichende Unterstützung der EU-Partner für ein weiteres Festhalten an ihrer Schutzklausel mehr hat. Das derzeit noch gültige Verbot für den Anbau der gentechnisch veränderten Maissorten MON-810 und T 25 droht damit in naher Zukunft zu enden.

Bereits zum dritten Mal hat die EU-Kommission eine Abschaffung der Schutzklausel vorgeschlagen. Im Rat der 27 EU-Landwirtschaftsminister kann Österreich diesmal aber nicht mehr auf die notwendige qualifizierte Mehrheit der Länder zur Beibehaltung der Schutzklausel hoffen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat sich persönlich für eine Abschaffung starkgemacht und nun gute Chancen, sich durchzusetzen. Das Gentechnikanbauverbot müsse weg, heißt es in seiner Behörde. Darauf werde Barroso schon deshalb pochen, weil er im Herbst 2009 für fünf weitere Jahre als Chef der Kommission wiedergewählt werden möchte, heißt es in Brüssel.

„Die Sache ist gelaufen“

Für eine Zulassung von genverändertem Saatgut sucht die Kommission nicht nur die Zustimmung der bereits deklarierten Gentechnik-Befürworter, sondern auch solcher Regierungen, die sich bisher noch nicht klar positioniert haben. Und diese Suche war zuletzt dem Vernehmen nach äußerst erfolgreich. „Österreich hat keine Chance mehr, ausgeschlossen“, sagen Insider. „Die Sache ist gelaufen.“

Zieht Österreich nicht noch in letzter Minute genügend Länder zurück auf seine Seite, fällt die letzte Bastion gegen gentechnisch verändertes Saatgut. Aufgrund einer Vorgabe der EU-Kommission vom Oktober 2007 hat Österreich bereits den Import von Genmais und seine Verarbeitung zu Futter-, aber auch Lebensmitteln zulassen müssen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel dürfen bereits mit einer eigenen Kennzeichnung in die Regale gestellt werden. Der Handel hat freilich einen Verkauf bisher aufgrund des großen Widerstands in der Bevölkerung vermieden. Doch im Lauf der Zeit könnte sich diese Grundstimmung aufweichen.

Über ein Ende des nunmehr diskutierten Anbauverbots formell abgestimmt wird zwar erst am 2. März beim nächsten EU-Landwirtschaftsministerrat, dem Österreichs Agrarminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) angehört. Aber schon am Montag dieser Woche fand in Brüssel eine wichtige vorentscheidende Tagung von Experten statt. Als fixe Befürworter gelten nach informellen Vorentscheidungen über MON-810 bereits Großbritannien, Schweden, Finnland, Estland, die Slowakei und Rumänien. Noch nicht deklariert haben sich bisher die Niederlande, außerdem Deutschland, Spanien, Italien, Belgien und Tschechien.

Doch beispielsweise Spanien könnte neben den Niederlanden und Italien nach einem personellen Wechsel im Agrarministerium gänzlich auf den Kurs der EU-Kommission umschwenken. Bisher war Spanien, das selbst Genmais zulässt, der Ansicht, dass jedes Land selbst entscheiden sollte. Die anderen 15 Mitgliedstaaten, allen voran Österreich und Frankreich, sind Gegner. Ihre Stimmen würden nach derzeitigem Stand der Debatte jedoch nicht ausreichen, um mit qualifizierter Mehrheit den Vorschlag der EU-Kommission abzuschmettern.

Sollte es weder eine ausreichende Mehrheit für noch gegen den Vorschlag geben, dürfte am Ende die Kommission selbst entscheiden. Sollte diese Option eintreten, würde es wohl sehr rasch gehen. Die Schutzklausel müsste möglicherweise noch in diesem Jahr abgeschafft werden.

Das letzte Gefecht

Österreich gibt noch nicht auf und kämpft weiterhin intensiv um Verbündete. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) ziehen mit Landwirtschaftsminister Berlakovich an einem Strang. Mangels Beweisen kann Österreich aber kaum noch auf Gefahren für Umwelt, Mensch und Tier pochen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht keine ausreichenden wissenschaftlichen Gründe für negative Auswirkungen von genverändertem Saatgut.

Außer in Österreich ist der Anbau von gentechnisch verändertem Mais (MON-810) derzeit noch in Ungarn, Frankreich und Griechenland durch Schutzklauseln verboten. In den meisten EU-Ländern wird mittlerweile darauf gesetzt, dass Genmais die landwirtschaftliche Produktion vereinfacht und verbilligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2009)

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