Ukraine ist die größte Gefahr für Wiener Banken

Ein Staatsbankrott würde Österreichs Banken im schlimmsten Fall mehr als eine Milliarde Euro kosten.

Wien (höll/p.m.). Das akuteste Problem für Österreichs Banken ist ein möglicher Staatsbankrott in der Ukraine. „Unser größtes Risiko ist, dass einer der osteuropäischen Staaten bankrott geht. Das könnte am ehesten die Ukraine treffen“, räumte jüngst Alessandro Profumo, Chef der Bank-Austria-Mutter UniCredit, ein. Profumo glaubt allerdings nicht, dass es dazu kommen wird. „Ein Staatsbankrott würde politisch nicht toleriert.“

Andere sind sich dabei nicht so sicher. Die französische BNP Paribas kündigte an, in der Ukraine aufgrund der Wirtschaftskrise 100 Filialen zu schließen. Die Franzosen mussten dort wegen der Finanzkrise die Risikovorsorgen auf 233 Millionen Euro erhöhen, was die Sparte „Privatkundengeschäft im Ausland“ in die roten Zahlen drückte. Auch Raiffeisen International steigt auf die Bremse und baut bis Sommer jeden zehnten der 18.300 Mitarbeiter ab.

Und die ungarische OTP Bank schießt dem Vernehmen nach ihrer Tochter in Kiew 120 Millionen Euro zu. Die Ukraine ist nach Ungarn und Lettland in Osteuropa am stärksten von der Krise betroffen. Analysten gehen davon aus, dass die Wirtschaft heuer um sechs Prozent schrumpfen wird. Die Landeswährung hat seit Herbst 40 Prozent an Wert verloren. Nach Ansicht von IHS-Chef Bernhard Felderer ist die Finanzkrise in Osteuropa in großen Teilen beherrschbar, lediglich in der Ukraine und in Rumänien könnte es schlecht werden.

Die EU zögert, die Regierung in Kiew direkt finanziell zu unterstützen. Denn das Land ist kein EU-Mitglied. Dafür soll der Internationale Währungsfonds (IWF) einspringen. Doch dieser konnte sich nicht auf weitere Zahlungen aus dem im Herbst vereinbarten Hilfspaket von 16,4 Milliarden Dollar einigen. Denn die Politiker in Kiew lehnen die IWF-Auflagen ab.

Bankensystem unter Wasser

Österreichs Banken haben in der Ukraine zehn Milliarden Euro an Krediten ausständig, davon entfallen sechs Milliarden auf Raiffeisen. Analysten gehen davon aus, dass ein Staatsbankrott den Wiener Banken im schlimmsten Fall mehr als eine Milliarde Euro kosten würde. „Auf Basis des aktuellen Wechselkurses ist das ukrainische Bankensystem unter Wasser“, urteilt Arend Kapteyn von der Deutschen Bank.

Stresstests der Aufsicht in Kiew ergaben, dass der Bankensektor unterkapitalisiert ist. Bis Mai müssen daher 2,5 Milliarden Euro nachgeschossen werden müssen. „Wir werden der Aufforderung nachkommen“, sagt ein Sprecher von Raiffeisen. Konkrete Zahlen nennt er aber nicht. „Es handelt sich um einen vergleichsweise geringen Betrag“, so der Sprecher.

Bereits im Vorjahr hatte Raiffeisen der Tochter in Kiew eine Finanzspritze von 200 Millionen Euro verabreicht. Raiffeisen ist in der Ukraine die Nummer zwei. Die Bank Austria liegt auf Platz vier. Erste Bank und Volksbanken sind dort nicht so stark exponiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Finanzhilfen: Viele Wege führen zum rettenden Ufer

Fünf mögliche Quellen, ein Fall ohne Präjudiz und Notfalltreffen als wahrscheinlichste Lösung.
Pröll
New Articles

Josef Pröll auf dem „Catwalk“ der Ratingagenturen

Finanzminister Pröll versucht, knapp eine Milliarde Euro bei den Staatsausgaben zu sparen. Weniger, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Sondern um Österreichs "Triple-A" zu retten.
International

EU-Finanzhilfen für Osteuropa stoßen auf rechtliche Hürden

Es ist den EU-Staaten verboten, gegenseitig für ihre Schulden zu haften. Wollen die Regierungen Osteuropa helfen, sind sie von einer Institution abhängig, die sie gerade in letzter Zeit nicht pfleglich behandelt haben: der EU-Kommission.
Christoph Matznetter
Österreich

Matznetter: "Bankgeheimnis mit Zähnen und Klauen verteidigen"

Nachdem das Bankgeheimnis in der Schweiz löchrig wird, beharren SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ darauf, dass dieses in Österreich erhalten bleiben soll. Nur die Grünen wollen das Bankgeheimnis lockern.
International

Riesenloch im Schweizer Bankgeheimnis

Das Schweizer Bankgeheimnis ist wohl Geschichte: US-Behörden erzwingen von Großbank UBS Herausgabe von Steuersünderdaten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.