Vor 20 Jahren: Fataler Absturz über dem Bodensee

Alfred Dallinger
Alfred Dallinger(c) APA (LECKEL)
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Am 23. Februar 1989 verunglückte Alfred Dallinger bei einem Flugzeugabsturz. Im Kampf gegen die stärker werdende Arbeitslosigkeit war er die Galionsfigur des linken Parteiflügels.

Am 23. Februar 1989 startet in Wien-Schwechat ein kleines flottes Flugzeug in Richtung Bregenz. Es ist 9.36 Uhr und es herrscht gutes Flugwetter. Neun Passagiere sind an Bord, sie wollen sich die Strapazen einer 600 Kilometer langen Bahnreise ersparen.

Zeit ist Geld, auch für den Bundesminister für Soziales, Alfred Dallinger. Ja, Geld hätte er genügend, aber Zeit – immer zu wenig. Dallinger ist gefürchtet für seine Hyperaktivität. Er versteht sich im Kabinett Vranitzky/Mock immer noch als kämpferischer Gewerkschafter, fordert vehement die „Maschinensteuer“ (also eine Art Wertschöpfungsabgabe zur Sicherung des Sozialversicherungssystems), er will die 35-Stunden-Woche – und genießt es, als Buhmann der Konservativen im Lande zu gelten. Gemeinsam mit Erwin Lanc hat er einen Großauftrag der Steyr-Werke vereitelt, die Panzer an die chilenische Junta des Generals Pinochet liefern sollten.

Partei- oder ÖGB-Chef?

1980 hat ihn noch Bruno Kreisky ins Kabinett berufen, das war nicht unbedingt der große Aufstieg, den er anstrebte. Aber vielleicht eine Warteposition für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass der kränkliche Kreisky den Parteivorsitz abgeben würde. Daraus wurde nichts. Noch viel lieber freilich wäre Dallinger der Thron des ÖGB-Chefs gewesen, der vom alten Anton Benya schon über Jahrzehnte hinweg besetzt und ihm so gut wie versprochen schien.

Jedoch: Mit seiner forschen Gangart, seiner unverblümten Sprache und einer oft zynischen Ironie hat sich Dallinger bei den anderen Gewerkschaftsgruppen nicht unbedingt Freunde geschaffen. Vergebens hatte er als gewiefter Machtpolitiker den Vorsitz in der Angestellten-Gewerkschaft behalten; 300.000 Mitglieder konnte er in die Waagschale werfen. Und er blieb auch ÖGB-Vizepräsident. Kritik an dieser Ämterkumulierung prallten an ihm ab. Immerhin: Das „Industriegruppen-Prinzip“, das ihn geschwächt hätte, konnte er verhindern.

Dennoch musste er 1987 ohnmächtig zusehen, wie der erst 42-jährige frühere Jugendsekretär Fritz Verzetnitsch ihm als ÖGB-Chef vorgezogen wurde. Ein politisches Leichtgewicht, das aber dem amtierenden Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Franz Vranitzky äußerst angenehm war. „Vranz“ liebte keine linken Visionen. Ihm genügte es, das Land in der ruhigen Manier eines Bankiers zu führen. Und das tat er formvollendet. Ihm reichte schon die brodelnde Unruhe am rechten Rand des Parteienspektrums, wo Jörg Haider andauernd für neue Aufregungen sorgte.

Neun lange Jahre ist Alfred Dallinger jetzt schon Sozialminister. Er hat im Amt den Rücktritt Kreiskys 1983 und jenen des Fred Sinowatz 1986 überlebt, ist der „Doyen“ der Regierungsmannschaft. Aber er versteht sich immer noch als treibende Kraft in der Sozialpolitik und im Kampf gegen die stärker werdende Arbeitslosigkeit. Er ist die Galionsfigur des linken Parteiflügels.

Unterwegs zur GPA-Sitzung

Mit an Bord der zweimotorigen „Gulfstream Aero Commander 90“ ist Richard Wonka, ein treuer Gefolgsmann Dallingers, derzeit Zentralsekretär der GPA, ebenfalls zu Höherem berufen. Sie wollen zu einer Fraktionssitzung der sozialistischen Fraktion in der GPA, die in Bregenz anberaumt ist. Im Cockpit die Chefin des Bedarfsflugunternehmens, Brigitte Seewald, neben ihr Kopilot Johann Rainer, zwei äußerst erfahrene Leute. Um halb elf Uhr sollte man in Hohenems landen. Der Flieger befindet sich über dem Bodensee. Jetzt herrscht allerdings dichter Nebel. Also entscheidet Brigitte Seebacher, den schweizerischen Ausweichflughafen Altenrhein anzufliegen. Doch dann verschwindet der leuchtende Punkt vom Radarschirm des Towers.

Gegen Mittag wird es zur Gewissheit. Man findet etliche Trümmer auf dem Wasser, „Kerosingeruch liegt über dem See“, berichtet die „Presse“-Korrespondentin. An der Absturzstelle ist der See 76 Meter tief. Am Abend ortet man den Flugzeugrumpf, erst zwei Tage später wird das Flugzeugwrack mit den Toten geborgen.

Rätsel um die Unfallursache

Ein Pilotenfehler? Eine technische Panne? Man weiß es bis heute nicht genau. Frau Seewald kannte das Gebiet sehr gut. Ob das Seil zur Betätigung der linken Landeklappe schuld war oder erst beim Aufprall gerissen ist, konnte auch die TU Zürich nicht klären. Es mag auch sein, dass der Höhenmesser falsch anzeigte, sodass die Maschine zu tief flog und am Wasser aufschlug. Vier Jahre und drei Monate danach wurden die Gerichtsakten über den mysteriösen Fall geschlossen. Der Hersteller „Gulfstream“ zahlte außergerichtlich 454.000 Schilling für jeden toten Passagier.

Die Idee, dem Verunglückten in Wien ein Denkmal zu setzen, wurde bald wieder verworfen. Stattdessen widmete man ihm ein Wohnheim für Behinderte, was wohl auch seinen Intentionen eher entsprach. Ein Stück der Schlachthausgasse ist nach ihm benannt – dort, wo die GPA ihren Sitz hat.

„In Dallinger war die Ungeduld eines heißen Herzens verbunden mit dem Sinn für das Mögliche und Machbare“, urteilt Manfred Scheuch, der frühere Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“. Alfred Dallinger wurde 62 Jahre alt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2009)

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