Genderproblem: Gerechte Sprache nach Leitfaden?

Gender Hinweisschild
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Universitäten basteln mit unterschiedlichen Mitteln an geschlechter- sensiblen Ausdrucksformen. Die FH St. Pölten legt einen eigenen Leitfaden auf.

Wer hätte das gedacht: Das Institut für Mechatronik an der Technischen Universität Wien – ein Arbeitsplatz nur für Frauen? Ein kurzer Blick in das Online-Personalverzeichnis der TU irritiert: Dort versehen nur Professorinnen, Dozentinnen, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Tutorinnen ihren Dienst. Ist das möglich? Doch beim zweiten Blick setzt ein gewisses (bei manchen vielleicht sarkastisches) Schmunzeln ein: Rein weibliche Berufsbezeichnungen stehen über (größtenteils) männlichen Namen. Sind die Männer an der TU nunmehr in den weiblichen Formen „mitgemeint“, wie das umgekehrt oft beteuert wird? Oder handelt es sich gar um einen subversiven Angriff feministischer Hackerinnen?

Ersteres trifft zu – aber nur auf Zeit, erklärt Brigitte Ratzer, Leiterin der Koordinationsstelle für Frauenforschung und Gender Studies an der TU: „Es ist ein offizielles Projekt der Universität“, sagt sie. Seit Dezember – und noch bis zum internationalen Frauentag am 8. März – ist das TU-Adressbuch Tiss rein weiblich. Die Uni-Angehörigen sollen sensibilisiert werden, künftig in interner Kommunikation wie E-Mails oder Anträgen weibliche und männliche Formen zu verwenden. Mit dem „Mitgemeintsein“ der Männer wolle man illustrieren, dass dies auch umgekehrt für Frauen keine praktikable Lösung sei. „Mit einem Augenzwinkern“ sei das Projekt zu verstehen, so Ratzer. Die Aktion habe für Diskussionen gesorgt, „aber für weniger harsche, als ich befürchtet habe“.

Die TU-Initiative illustriert die Schwierigkeiten der Universitäten mit dem eigenen Anspruch. Denn auf dem Papier bekennen sich die Hochschulen zu den Prinzipien einer geschlechter-gerechten Sprache, wie es – angeregt durch entsprechende Empfehlungen der EU – ebenso im öffentlichen Dienst bereits Usus geworden ist. So befinden sich in den Frauenförderplänen der Universitäten Abschnitte, in denen man sich zu geschlechtersensibler Sprache in interner Kommunikation verpflichtet.

Vorbild könnten die Rektoren sein, die nach der Wahl der ersten Rektorin, Ingela Bruner an der Bodenkultur, die Rektorenkonferenz in Universitätenkonferenz umbenannt haben. Die Bezeichnung bleibt, auch wenn Ingela Bruner inzwischen nicht mehr Rektorin ist.

Die tägliche Praxis schaut aber anders aus. Denn fraglich ist, wie eine Selbstverpflichtung umgesetzt werden soll. Genau damit kämpfen, bei allem guten Willen, die Unis – oder vielmehr die dortigen Frauenbeauftragten. „Einzelne Mitarbeiter achten darauf“, sagt Ratzer. „Die kann ich an einer Hand abzählen.“ Auch Evi Genetti, Leiterin des Referats Frauenförderung und Gleichstellung an der Uni Wien, erklärt: „Die Verwaltung bemüht sich darum. Aber es gibt keine verpflichtende Order.“ Und wie sieht es mit Sprachregeln für Studierende aus? „Das bleibt den einzelnen Lehrenden überlassen, die in ihren Seminaren eine Regelung festsetzen können“, sagt Genetti.

 

Fixe Regeln an der FH

Neuland betritt hier die Fachhochschule St. Pölten: mit einem verpflichtenden Leitfaden. Und stößt damit vor allem bei der Mehrheit der Studierenden auf Ablehnung. Im Dezember beschloss das FH-Kollegium die Verbindlichkeit einer Broschüre, die genau regeln soll, wie die Studierenden in schriftlichen Arbeiten künftig geschlechtsneutral formulieren sollen: Immer weibliche und männliche Formen bei Berufsbezeichnungen, Titeln und so weiter. „Im Bildungsbereich sollte man Vorreiter sein“, sagt Gender-Beauftragter Martin Adam. „Das ist eine bewusstseinsbildende Maßnahme.“ Dass der Leitfaden auch gegen den Willen der Studentenvertretung gilt, findet er nicht verwerflich. „Ich bin dafür, dass man das verpflichtend macht.“ Eine Nichtbeachtung der Schreibregeln kann Folgen für den Studienerfolg haben: Da der Leitfaden als formale Voraussetzung für Diplomarbeiten gilt, ist eine Herabsetzung bei der Benotung möglich.

Solche zwingenden Maßnahmen sind selbst bei Befürworterinnen der gender-gerechten Sprache nicht unumstritten. „Zwang führt zu Widerstand“, sagt Evi Genetti, die diese Vorschriften bei eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten für problematisch hält. Die FH-Studenten, vor allem jene der Medienwirtschaft und technischen Studien, wollen sich noch nicht geschlagen geben. „Wir wollen auf Englisch ausweichen“, sagt Studentenvertreter Peter Moser. Dort stellt sich das Sprachproblem meist nicht. Und vielleicht wichtiger: Für Englisch gibt es an der FH noch keinen Leitfaden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2009)


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