Ein gescheiterter Präsident nach 34 Tagen

Barack Obama lebt vom Wunsch, dass mit ihm alles besser wird. Deswegen sieht man ihm Fehler nach.

Stellen wir gleich zu Beginn klar und deutlich fest: Barack Obamas Präsidentschaft ist gescheitert. Die Wirtschaft zieht nicht an, der Krieg im Irak ist nicht beendet, in Afghanistan feiern die Taliban wilde Urständ (wenn sie feiern würden) und die Sonne geht noch immer in Asien auf. Kurz: Nichts hat sich geändert. All die großen Versprechungen waren nichts anderes als Seifenblasen, die zerplatzt sind wie die Träume von einer besseren Welt, die Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika machten.

Wie bitte? Er ist erst seit 34 Tagen im Amt? Und das sei nicht genug Zeit, um die Welt und den Lauf der Gestirne zu verändern? Nach allem, was wir von ihm gehört und über ihn gelesen haben, hätten eigentlich sechs Tage genügen müssen.

Damit sind wir schon beim größten Problem, mit dem der jugendlich wirkende Afroamerikaner zu kämpfen hat. Bei jedem anderen Präsidenten wäre man schon beeindruckt, wenn er nach 34 Tagen das Oval Office findet, ohne sich im Westflügel des Weißen Hauses zu verlaufen. Aber von Obama erwarten sich die USA und die Welt schon nach wenigen Wochen die Lösung aller Probleme, inklusive der größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren.

Niemand anderem ist die Schuld daran zu geben als Obama selbst. Seine Wahl verdankt er dem Glauben der Menschen – den er mit Leidenschaft geschürt hat –, dass er acht Jahre George Bush wiedergutmacht. Er hat im Wahlkampf eine Erwartungshaltung geschaffen, die er selbst mit einer ernüchternden Angelobungsrede nicht mehr dämpfen konnte. Wenn jetzt Menschen enttäuscht sind – seine Zustimmungsrate ist in den vergangenen zwei Wochen um sensationelle zehn Prozentpunkte abgesackt –, darf das niemanden wundern.

Dennoch genießt Obama eine Liebesbeziehung mit den US-Medien, die man fast schon als unanständig bezeichnen könnte: Welcher andere Präsident hätte es medial überlebt, wenn ihm vier Ministerkandidaten ausfallen? Gestern stellte der US-Präsident seinen mittlerweile dritten Kandidaten für das Amt des Handelsministers vor. Und wem sonst hätte der Kongress einen Finanzminister durchgehen lassen, der Steuern hinterzog? Obama lebt vom Wunsch der Amerikaner, dass mit ihm alles besser wird, dass er das Land zu alten Höhen führt. Und deshalb sieht man ihm Fehler gerne nach, weil man nicht wahrhaben will, dass auch er am Ende nur ein Politiker ist, der taktiert und paktiert.

Die letzteren Eigenschaften erklären, warum Obama so ziellos durch die Wirtschaftskrise stolpert. Seine mutigen Programme aus dem Wahlkampf sind Geschichte, dafür werden fast wöchentlich planlos Rettungs- und Stimuluspakete vors Volk geschmissen. Wie die völlig undurchdachte Idee einer „Public Private Partnership“, die unsichere Geldanlagen von angeschlagenen Banken übernehmen soll: Geht's gut, profitieren die Privaten, geht's daneben, bleibt die öffentliche Hand auf den wertlosen Papieren sitzen. Finanzminister Geithner wusste schon, warum er bei der Präsentation des Pakets keine Journalistenfragen zuließ.

Hier ein paar Milliarden, dort ein paar Billionen – so wird das Feuerlöschen nicht funktionieren. Es fehlt der große Plan zur Rettung und Belebung der Wirtschaft. Man sieht es aktuell beim Versicherungsriesen AIG: Zizerlweise schoss die Regierung Geld zu, bisher 150 Milliarden Dollar, und jetzt braucht AIG schon wieder finanzielle Hilfe. Franklin D. Roosevelt ließ vor 76 Jahren alle Banken schließen und sie erst nach einer Bilanzprüfung durch den Rechnungshof wieder öffnen. Obamas Mannen dagegen müssen einen noch größeren Einstieg bei der wankenden Citigroup diskutieren, obwohl man ihr bereits 45 Milliarden Dollar und Kreditgarantien von 300 Milliarden Dollar gegeben hat. Auch mit der unkonventionellen Offenheit, die der neue Präsident versprochen hat, ist es nicht weit her. Der Obama, den wir vor der Wahl sahen, sprach von Opfern, die das Volk bringen müsse. Jetzt will er eine allgemeine Krankenversicherung einführen, mehr Geld für die Bildung ausgeben, das Budgetdefizit halbieren – und das zusätzlich zu einem Rettungspaket, das nach Berechnungen mancher bisher neun Billionen Dollar kostete. Was er uns nicht sagt: Ohne massive Steuererhöhungen für alle wird das nicht zu machen sein.

Nach Schlag-auf-Schlag-Entscheidungen in den ersten zehn Tagen begann Barack Obamas Motor zu stottern. Der Start seiner Präsidentschaft ist holpriger als erwartet. Aber noch hat er ja 1321 Tage, um es besser zu machen.


norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2009)

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