Obama zur Lage der Nation: "Tag der Abrechnung"

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Die USA hätten lange Zeit über ihre Verhältnisse gelebt, sagte US-Präsident Barack Obama in seiner Rede. Nun sei der Zeitpunkt gekommen, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Die USA werden sich nach den Worten von US-Präsident Barack Obama trotz der schweren Wirtschaftskrise wieder erholen und zu alter Stärke zurückfinden. "Die USA werden stärker sein als zuvor", sagte Obama am Dienstagabend vor beiden Kammern des Kongresses in Washington. Auch wenn "die Wirtschaft geschwächt und das Vertrauen erschüttert" sei, habe Amerika Grund zum Optimismus. Derzeit müssten die USA für die gravierenden politischen Fehler der Vergangenheit bezahlen.

"Tag der Abrechnung"

Obama sagte, nun sei der "Tag der Abrechnung" für die Amerikaner gekommen, nachdem sie lange Zeit über ihre Verhältnisse gelebt, Regulierungen abgeschafft und kaum langfristige Finanzplanung betrieben hätten. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Die Bürger hätten zu lange nicht an die nächste Hypothekenrate gedacht, die Politiker hätten mit Steuersenkungen für Reiche den Budgetüberschuss verspielt, und Vorschriften seien abgebaut worden, um Firmen einen schnellen Profit zu ermöglichen. Obama kritisierte Menschen, die Häuser kauften, die sie sich nicht leisten konnten und Banken, die bereitwillig Kredite an Menschen vergaben, die diese nicht zurückzahlen konnten.

"Wichtige Debatten wurden vertagt"

Amerika habe zu lange auf den kurzfristigen Erfolg gestarrt und dabei die langfristigen Perspektiven aus den Augen verloren. "Wichtige Debatten und schwierige Entscheidungen wurden einfach vertagt", sagte Obama.

Er wolle ein Budget vorlegen, das "eine Vision für Amerika, einen Bauplan für die Zukunft" beinhalte, versprach der Präsident. Der Etat erzwinge zwar "harte Entscheidungen", um das Staatsdefizit zu reduzieren. Er werde nicht alle Probleme lösen können, aber er spiegle die Realität wieder, die "wir geerbt haben": Eine Billion Dollar Defizit, eine Finanzkrise und eine kostspielige Rezession.

"Verschwendete Milliarden im Irak"

Demokraten, Republikaner ebenso wie der Präsident selbst müssten manche Prioritäten opfern, weil es für vieles kein Geld mehr gebe. Als Beispiele nannte Obama missglückte Bildungsprogramme, Agrarsubventionen sowie "verschwendete Milliarden im Irak" und unnütze Waffensysteme aus den Zeiten des Kalten Krieges.

Er versicherte, dass das Geld der Bürger in den Banken sicher sei und das Land auf das Funktionieren des Finanzsystems vertrauen könne. Die größte Sorge sei, dass die Banken bald wieder Kredite vergäben, denn andernfalls werde die wirtschaftliche Erholung abgewürgt, bevor sie beginne. Dazu werde die Regierung einen neuen Darlehensfonds auflegen, um Kredite für den Universitätsbesuch oder den Autokauf zu ermöglichen.

"Geht darum, Menschen zu helfen"

Der Bankenrettungsplan werde vermutlich mehr kosten als die 700 Milliarden Dollar (548 Mrd. Euro), die der Kongress bisher dafür vorgesehen habe. Er verstehe den öffentlichen Ärger über hohe Boni für Manager bei Banken, die Milliarden an Steuergeld erhalten haben. "Ich verspreche Ihnen: Ich habe das verstanden." Es gehe "nicht darum, Banken zu helfen, sondern Menschen zu helfen".

Die USA müssen nach den Worten des Präsidenten ein "neues Fundament" für anhaltendes Wachstum und Wohlstand bilden. Das gerade verabschiedete Konjunkturprogramm diene dazu, umgehend neue Arbeitsplätze zu schaffen, den Kreditfluss wieder zu eröffnen und in die Energiewirtschaft, in das Gesundheitswesen und die Bildung zu investieren. Obama kündigte auch eine Gesetzesinitiative zur strengeren Regulierung der Finanzmärkte an.

Republikaner kritisieren Obama

Im Hinblick auf seine republikanischen Kritiker sagte Obama, er teile deren Ansicht nicht, dass sich die Probleme des Landes von selbst lösen würden.

Nach der Rede von Obama bekräftigte das republikanische Lager seine Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung. Steuern zu erhöhen und mehr Geld und Macht in die Hände von Politikern in Washington zu legen, sei nicht der richtige Weg, sagte der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, in der offiziellen Reaktion der Republikanischen Partei auf Obamas Rede.

Das kürzlich verabschiedete Konjunkturpaket werde künftige Generationen mit Schulden belasten. "Das ist unverantwortlich", sagte Jindal, erster US-Gouverneur mit indischen Wurzeln und möglicher Präsidentschaftsbewerber seiner Partei für die Wahl 2012.

15 Mrd. Dollar für Wind- und Solarenergie

Obama widmete sich auch dem Klimaschutz und der Entwicklung erneuerbarer Energien. Sein Budgetentwurf, den er am Donnerstag vorstellen will, sehe Investitionen unter anderem in Wind- und Solarenergie von 15 Milliarden Dollar (11,75 Mrd. Euro) jährlich vor. Der Präsident pochte zudem auf die Reform des Gesundheitswesens.

Ein Teil des 787 Milliarden Dollar umfassenden Konjunkturpaketes werde zum Beispiel für die Krebs-Forschung verwendet, sagte er. Die rasch steigenden Kosten im Gesundheitswesen machten aber weitere Reformen nötig.

"USA foltern nicht"

Die Außen- und Verteidigungspolitik machten nur einen kleinen Teil der knapp einstündigen Rede aus, die als Obamas wichtigste seit seinem Amtsantritt vor fünf Wochen gewertet wurde. Der US-Präsident kündigte an, in Kürze darzulegen, wie er den Krieg im Irak auf verantwortliche Weise beenden und einen neuen Weg für den Konflikt in Afghanistan einschlagen will.

Sein Plan zur Schließung des US-Gefangenenlagers Guantanamo werde Amerika stärker machen, sagte Obama. Der Präsident versprach zudem eine "neue Ära" der Diplomatie und versicherte, dass auch im Kampf gegen den Terrorismus "die amerikanischen Werte" gewahrt werden würden. Ohne jede Einschränkung könne er sagen, dass "die USA nicht foltern".

Keine "echte" Rede zur Lage der Nation

Obamas erste Rede vor beiden Häusern des Kongresses, dem Obersten Gericht und dem Kabinett war angelegt wie eine Rede zur Lage der Nation. Offiziell war es aber keine solche, da Obama dafür zu kurz im Amt ist. Er wurde am 20. Jänner vereidigt.

(Ag.)

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