Selbsterhalter: Die Reichen unter den Studenten

Berufstätige, die den Job für ein Studium an den Nagel hängen, können um ein Stipendium ansuchen – etwa um in Ruhe studieren zu können.

Gymnasium, Matura, Uni. Oder: Hauptschule, Polytechnikum, Lehre. Die einen lernen Griechisch sprechen, die anderen italienisch kochen. Berührungspunkte der beiden Bildungswege sind eher einseitig bekannt: Während Studenten ohne große Vorbildung im Gastgewerbe ihre löchrigen Konten aufbessern, findet man kaum einen gelernten Gastwirt in einem Uni-Hörsaal. Aber es gibt sie, die Gesellen unter den Maturanten.

Markus Koller, seit Oktober angehender Betriebswirt an der Uni Graz, verdiente bisher seine Brötchen damit, Hotelgästen ihre Wünsche von den Lippen abzulesen. Und Sabrina Pfusterer, gelernte Optikerin, trifft man neuerdings auf der FH Joanneum in Graz im Studiengang Informationsdesign.

Mehr Stipendium, weil mehr Kosten

2005 wurde es den beiden in ihren Jobs zu blöd: Mangels Perspektiven belegten sie am Wifi Kurse für die Berufsreifeprüfung. Fünf Semester und jede freie Minute neben dem 40-Stunden-Job später kam der Lohn: Im April schlossen die zwei Neostudenten die Kurse erfolgreich ab und erlangten so ihre Hochschulreife.

Beide beziehen Selbsterhalterstipendien, man zählt sie also gemeinhin zu den „Reichen“ unter den Studenten. Dabei bekommen die Selbsterhalter, also jene Studierenden, die vor ihrem ersten Bezug einer Studienbeihilfe mindestens 48 Beitragsmonate zur Sozialversicherung und dabei ein jährliches Mindesteinkommen von 7272 Euro nachweisen können, einfach nur die höchste Stufe der Studienbeihilfe. Dass die meisten Selbsterhalter mit einem höheren Lebensstandard in ihr Studium gehen, wird meist als Luxus abgehandelt.

Sabrina Pfusterer hat gewisse Rechnungen zu begleichen. Der Kredit für die Möbel aus der Zeit, in der sie noch nicht ans Studieren dachte, die längerfristigen Sparformen, die gerade in diesen Zeiten nicht gerade gewinnbringend aufgelöst werden können. Und die mehreren tausend Euro, die sie für die Kurse zur Berufsreife hinblätterte, fehlen jetzt am Sparbuch. Umstände, die sie zum Nebenjob zwingen. „Ich habe 28 Wochenstunden Unterricht, ca. 15 Stunden pro Woche investiere ich in Lernen und Vorbereitung. Und dann gehe ich noch zehn Stunden arbeiten.“ Dass der Sommer mit Arbeit verplant wird, versteht sich für sie von selbst.

Auch der frisch gebackene BWL-Student Koller arbeitet nebenbei als Aushilfe bei einer Küchenmontagefirma. Auch wenn die Situation bei ihm ähnlich ist, macht er sich finanziell keine großen Sorgen. Die Aussicht, dass der leidenschaftliche Anhänger von Sturm Graz in Zukunft mit mehr als zehnjähriger Berufserfahrung und einem abgeschlossenen Studium nicht mehr Wasserträger, sondern Spielmacher am Arbeitsmarkt sein wird, lässt ihn gelassen in die kommenden Jahre der finanziellen Entbehrungen gehen. Auch die Vorbildung aus dem Berufsleben hilft. „Buchhaltung, Kostenrechnung, Marketing – alles Bereiche, in denen ich schon viele Dinge gemacht habe. Auf der Uni bekomme ich jetzt das Hintergrundwissen, warum gewisse Sachen eben so und nicht anders funktionieren.“

Der neue Lifestyle gefällt beiden. „Das Rundherum ist einfach göttlich“, sagt Koller. Früher musste er jeden Abend den Studenten ihr Bier servieren, heute geht er mit den neuen Kollegen nach der Vorlesung noch auf ein Reflexionsglaserl ins Beisl. Nur ein kleines Problem hat der bärtige 26-Jährige: „Von den 18- oder 19-Jährigen traut sich keiner mich anzusprechen. Woher soll ich jetzt eine Mitschrift kriegen“, witzelt Koller. Optikerin Sabrina meint: „Mit den Jüngeren ist es schon witzig. Sie durchleben Dinge, die man selbst schon vor Jahren gemacht hat: erste eigene Wohnung, von daheim unabhängig sein.“ Als alte Hasen unter Greenhorns sehen die zwei Erstsemestrigen mittleren Alters aber auch Vorteile: „Man tut sich im Umgang mit Vortragenden einfach leichter, weil man selbst schon gefestigter ist.“

www. stipendium.at

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