Harter ÖVP-Kern sucht neue Linie

(c) APA (Robert Jäger)
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Der Partei-Vorstand erteilte am Mittwoch den Auftrag, bis 2011 ein Programm vorzulegen. Es wird das siebente, das sich die ÖVP seit 1945 gegeben hat.

WIEN. Es kommt nicht oft vor, dass eine Partei das Wagnis eingeht, sich der Erstellung eines neuen Parteiprogramms zu verschreiben. Zu groß ist die Gefahr, internen Kritikern und Besserwissern eine Plattform zu bieten. Die ÖVP ließ jedenfalls 14 Jahre vergehen, ehe sie den Schritt wagte. Nun ist es so weit: Der Parteivorstand erteilte am Mittwoch Generalsekretär Fritz Kaltenegger den Auftrag, bis 2011 ein beschlussfähiges Programm vorzulegen. Es wird das siebente, das sich die ÖVP seit 1945 gegeben hat.

Dabei hat sich der neue Parteichef, Josef Pröll, nach der Wahlschlappe der ÖVP vor zwei Jahren erst mit einer programmatischen Diskussion herumgeschlagen, die allerdings nur in einem Perspektivenpapier endete. Der Aufreger war damals die Akzeptanz der Volkspartei für die staatliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Umgesetzt ist die Homo-Ehe freilich trotzdem nicht.

Die Pröll'schen Perspektiven sollen dennoch als eine Art Grundlage für Kalteneggers Programmprozess dienen. Pröll will die Vorgabe aber nicht zu groß machen: „Die Perspektiven sind nicht die Bibel, eher ein Teil zur Programmdiskussion.“ Pröll sucht aber auch nach neuen Strukturen, die die ÖVP schlagkräftiger machen. Die zentrale Rolle bei der Suche nach neuen Ideen in Kombination mit alten Werten wird dieses Mal deshalb auch der Parteikader spielen. Ob die Bünde und Länder sich selbst beschränken, wird sich zeigen. Die sonst gerne in solche Diskussionen einbezogenen Experten spielen jedenfalls nur eine Nebenrolle.

Kaltenegger soll zudem nicht nur Prölls Perspektivenpapier im Auge haben, sondern sich auch das letzte, 1995 erstellte Parteiprogramm genauer anschauen. Dieses „Wiener Programm“, das unter der Federführung des früheren Verteidigungsministers, Werner Fasslabend, erstellt wurde, muss der Generalsekretär auf den Kern reduzieren und dann den neuen Lebensrealitäten anpassen – so zumindest die grundsätzliche Idee. Fragt man nach, was denn alles zur Disposition steht, bleibt man in der ÖVP noch vage. In jedem Fall will die neue Riege in der Lichtenfelsgasse das Familienbild der Volkspartei weiterentwickeln. Dass man sich im 21.Jahrhundert auch mit Patchworkfamilien anfreunden und ihre Probleme verstehen kann, das stand eben auch schon im Perspektivenpapier.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist zum Beispiel wichtig, dass „prozessorientiert gedacht wird und nicht nur Inhalte diskutiert werden, die in der Praxis nicht relevant sind“. Was er darunter versteht? Zum Beispiel Konzepte für die neuen Selbstständigen oder die Einpersonenunternehmen. Ein anderer Aspekt liegt dem burgenländischen ÖVP-Chef, Franz Steindl, am Herzen: „Unser Programm braucht mehr Nachhaltigkeit. Wir müssen im Bereich erneuerbare Energie etwas vorweisen können.“

Der Parteivorstand beschäftigte sich am Montag außerdem mit der nächsten bundesweiten, der EU-Wahl. Die Landtagswahlen am kommenden Sonntag waren offiziell kein Thema. In Sachen EU will sich die ÖVP – wieder einmal – als einzige proeuropäische Partei darstellen. Wer als Spitzenkandidat in die EU-Wahl gehen wird, blieb noch offen. Fix ist, dass dieses Mal alle 42 möglichen Listenplätze der ÖVP besetzt werden. Außerdem wurde der Schlüssel, welcher Bund und welches Land wie viele Kandidaten nennen darf, verändert. Wer gewonnen, wer verloren hat, wollte Pröll nicht sagen.

AUF EINEN BLICK

Die ÖVP erstellt in den nächsten zwei Jahren ein neues Parteiprogramm, das siebente seit 1945. Dabei geht es auch um die Strukturen der Partei. Hauptverantwortlich ist Generalsekretär Fritz Kaltenegger, der mit Bünden und Ländern kooperieren soll. Er kann auf dem Perspektivenpapier von ÖVP-Chef Pröll aufbauen. „Es ist aber nicht die Bibel“, sagt Pröll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2009)


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