Sarkozy fordert territoriale Revolution

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In Frankreich soll es künftig statt 22 nur noch 15 Regionen geben. Dort regt sich freilich schon jetzt massiver lokalpatriotischer Widerstand.

PARIS. Die meisten Franzosen sind Lokalchauvinisten. Als die Regierung auf den neuen Fahrzeugnummernschildern den Hinweis auf das Departement entfernen wollte, löste sie damit so heftige Proteste in der Provinz aus, dass sie schnell zurückkrebsen musste. Nun steht auf den Kennzeichen nicht nur weiterhin eine Zahl, die aufs Departement hinweist, sondern auf Wunsch des Automobilisten auch noch das Wappen.

Jetzt soll die Zahl der Regionen von 22 auf 15 verringert werden. Das empfiehlt eine Kommission, die von Präsident Sarkozy eingesetzt und von Ex-Premier Balladur geleitet wurde. Die Franzosen sind nicht aus Prinzip gegen eine Vereinfachung. Aber sie hängen an ihrer territorialen Ordnung, vor allem an den aus der Zeit der Revolution datierenden Kantonen und den 100 Departements. Der Streit beginnt, wenn auf der heutigen Landkarte der Rotstift angesetzt wird. So plant die Balladur-Kommission, die Bretagne um das Gebiet Loire-Atlantique zu erweitern, was kurioserweise einer alten Forderung der bretonischen Regionalisten entspricht.

Platzhirsche wehren sich

Die bisherige Region Rhône-Alpes rund um Lyon soll samt Savoyen mit der mittelfranzösischen Auvergne zusammengelegt werden. Ganz von der Landkarte verschwinden soll die historische Provinz der Picardie. Dasselbe Schicksal droht Poitou-Charentes, der Hochburg von Sarkozys Rivalin Ségolène Royal. Die Vorschläge lassen sich rational begründen, geben aber auch Anlass zu Spekulationen über politische Hintergedanken.

Das gilt auch für Paris: Die heute aus 20 Bezirken (Arrondissements) bestehende Hauptstadt mit zwei Millionen Einwohnern soll erweitert werden. Groß-Paris soll drei angrenzende Departements, 124 Kommunen mit insgesamt rund sechs Millionen Bewohnern umfassen. Schon fürchtet der sozialistische Bürgermeister Delanoë um seine Macht. Ähnlich sollen acht weitere Großstädte (Marseille, Lyon, Lille, Bordeaux, Toulouse, Straßburg, Nantes und Nizza) zu Metropolen mit erweiterten Kompetenzen wachsen. Umstritten ist nicht nur die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Zentralstaat, Region, Departement und Metropole, sondern auch die Frage, wie die Volksvertretung dieser Einheiten organisiert werden soll. Die demokratische Vertretung der Departements und Regionen soll durch eine einzige Territorialversammlung erfolgen.

Damit könnten Kosten gespart werden, nur gehen dabei auch viele Wahlmandate für ambitiöse Lokalpolitiker verloren. In den nostalgischen Protest mischt sich massiver Widerstand politischer Platzhirsche, die um ihre Reviere fürchten. Die geplante territoriale Revolution könnte darum wie frühere Anläufe als banale Retusche enden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2009)

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