Jetzt sind wir (fast) alle Sozialisten

Die Krise gebiert einen Neusozialismus, der noch schädlicher ist als sie selbst.

Im jüngst erschienenen Buch „Politik der Paranoia – Gegen die neuen Konservativen“ (Aufbau-Verlag, Berlin) schickt der Publizist Robert Misik „... mit einem leidenschaftlichen Plädoyer die neokonservative Ideologie ins Museum der großen Irrlehren“, wie der Klappentext des Werkes in genreüblicher Bescheidenheit verkündet.

Obwohl er bedauerlicherweise an einer völlig therapieresistenten marxistoiden Neigung leidet, ist Misik ein intelligenter (und noch dazu vergnüglich zu lesender) Autor, was ja eine contradictio in se und daher recht ungewöhnlich ist; das noch dazu mit einem hübschen Hirschgeweih am Cover geschmückte Buch ist deshalb durchaus erwerbenswert.

Doch wie alle Mitglieder der Chattering Classes, die jetzt vom Niedergang des Neoliberalismus künden („Jetzt sind wir alle Keynesianer.“), begeht auch Misik einen kleinen Fehler: Hier wird die falsche Sau geschlachtet. Denn jener Neoliberalismus, den Misik ins Museum verweist, gleicht – besonders hierzulande – einem Schneemann im Mai. Er ist dabei, zu verschwinden. Was es in Österreich je an „Neuen Konservativen“ und Neoliberalismus gegeben haben mag, ist fast vollständig zu den „Sozialisten in allen Parteien“ (F. A. v. Hayek) konvertiert. Auch die einst privatisierungsfreudige ÖVP verwendet „neoliberal“ mittlerweile genauso als Diskreditierungs-Hackbeil wie die Roten Falken, Sektion Favoriten.

Das ist natürlich auch eine Folge der (von staatlichen Regulierungsfehlern, falscher Notenbankpolitik und politischen Eingriffen mitverursachten) Wirtschaftskrise.

Diese Krise gebiert nun mit atemberaubendem Tempo einen „Neusozialismus“, der alle Parteien erfasst und vermutlich von künftigen Historikern als wesentlich schädlicher beschrieben werden wird als die eigentliche Krise. Seine zentrale Botschaft: Der Staat wird's schon richten.

Das wird gerne geglaubt. Entgegen den nun von Politikern, Bankdirektoren, willfährigen Ökonomen und eingebetteten Journalisten verbreiteten „Wird schon wieder werden“-Parolen ist nämlich die Krise nicht nur nicht vorbei; sie hat vielmehr noch nicht einmal begonnen, ihre ganze Wucht zu entfalten. Das Schlimmste kommt erst.

Für den Neusozialismus sind das ideale Wachstumsbedingungen. Rasend schnell steigt rund um die Welt der Einfluss des Staates auf die Unternehmen; ersetzen bürokratische Entscheide den Marktmechanismus und politische Willkür in Personalfragen die Rechte privaten Eigentums.

Wie eine Welt, in der die Neusozialisten aller Parteien das Sagen haben, kann man gerade am Wiener Flughafen besichtigen. Dass dort ein verdienter Getreuer des schwarzen Landeshauptmanns Vorstand wird, ist für den Neusozialismus (der ja auch weite Teile der ÖVP erfasst hat) geradezu lehrbuchhaft typisch.

Je tiefer die öffentlichen Hände nun wieder in die Wirtschaft eingreifen, umso alltäglicher werden derartige Entscheidungen sein; und entsprechend verheerend wird das wirtschaftliche Ergebnis sein.

„Wenn es heute nicht mehr guter Ton ist, hervorzuheben, dass wir jetzt alle Sozialisten sind, dann deswegen, so nur aus dem Grund, dass dies zu offensichtlich ist“, schreibt Hayek in „Der Weg zur Knechtschaft“, das 1944 erschienen ist. Und heute wieder ganz aktuell erscheint.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2009)


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