Mit beiden Gallagher-
Achtung, Musik kann die Gemütsruhe stören: durch abrupte Harmoniewechsel oder Schwankungen in der Lautstärke, durch unerwartete Tonsprünge oder Rhythmusänderungen! Die britische Traditionsband Oasis verschont den Hörer weitgehend vor solchen Quellen der Aufregung: Die Lautstärke bleibt von Beginn bis Ende eines Songs konstant, in Harmonie und Melodik herrscht nicht mehr Abwechslung als unbedingt nötig, die Tempi bewegen sich zwischen mittellangsam und ein bisschen schneller. Aber ja nicht zu rasch!
„Gotta slow it right down / the day's moving just too fast for me“, sang Liam Gallagher in „Rock'n'Roll Star“, dem ersten Song auf der ersten Oasis-Platte: programmatisch. Für diese Band war das wichtigste Versprechen des Rock'n'Roll-Lebens immer, dass man lange im Bett bleiben kann. „I start a revolution from my bed“, heißt es im rührenden Song „Don't Look Back in Anger“.
Aber manchmal muss man halt doch in die Arbeit. In der Stadthalle begannen Oasis ihr Tagwerk wie üblich mit „Rock'n'Roll Star“, immer mit der Ruhe: gleichmäßiges Dröhnen, kommentiert vom gleichmäßigen Gesang Liam Gallaghers, der immer ein bisschen beleidigt und ein bisschen aggressiv klingt, als hätte ihn gerade einer dumm im Pub angeredet. In paramilitärischer Jacke, mit mächtigem Backenbart, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, die Brust herausgestreckt, stolziert er über die Bühne, man kann sich gut vorstellen, dass er seinem Bruder und Gitarristen Noel Gallagher ziemlich auf die Nerven geht: Es kommt, heißt es, zwischen den Geschwistern öfters zu Zwist, manchmal gar zu Tätlichkeiten...
Diesmal nicht. Es blieb alles ruhig. Die Mühlen der Oasis mahlten meditativ vor sich hin: ein Mahlstrom, in dem man versinken kann wie in einer trägen Lawine, während sich die Melodien, die oft an Fußballgesänge erinnern, in den auditiven Cortex fräsen. Die Liebe ist, heißt es in „Shock of the Lightning“, eine Litanei und eine Zeitmaschine, beides passt auch auf ein Oasis-Konzert. Das heißt nicht, dass einem dabei unbedingt fad sein muss: Selten sah man so viele Menschen mit stilistisch einwandfreien Jacken so gemütsruhig durch die Stadthalle und ihre Foyers schlendern, bestens versorgt mit Zigaretten und Alkohol und mit Liedern, die von Zigaretten und Alkohol handeln, von der Sonne, die gefälligst auch im eigenen Hinterhof scheinen soll, von den stillen Freuden eines späten Morgens.
Ein Loblied auf die Faulheit
Oder explizit von der Faulheit. „The Importance of Being Idle“ war wohl die pfiffigste Nummer des Abends: eine Hymne auf den Gleichmut mit schönen Zeilen wie „I don't mind as long as there's a bed beneath the stars that shine“, einer der wenigen Songs, in denen Oasis ihre Definitionen von Britpop und Melodik etwas erweitert. Noel Gallagher sang sie, wie auch die feine Ballade „The Masterplan“. Und natürlich „Don't Look Back in Anger“, gemeinsam mit dem gemischten Stadthallenchor.
Das war dann auch schon eine Zugabe, die Zeit war verflossen, Liam Gallagher träumte noch von der „Champagne Supernova“, sang die goldenen Reime „But you and I, we live and die, the world's still spinning round, we don't know why.“ Ach ja. So ist das halt. Was soll man machen...
Am besten, man spielt einen Beatles-Song. In diesem Fall einen gut gewählten: „I Am the Walrus“ passt mit seiner litaneiartigen Melodie bestens zu Oasis. Wenn man ihn schön zudröhnt: Das taten sie, in aller Gemütsruhe.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2009)