Gesetzesentwurf: Deutschland will organisierten Suizid verbieten

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Die Debatte über Sterbehilfe nimmt Fahrt auf. 2015 soll über Verbot oder Regulierung der Beihilfe zum Suizid entschieden werden. Ein fraktionsübergreifendes Positionspapier mit vier Konzepten liegt bereits vor.

Wien/Berlin. Dürfen Ärzte oder Organisationen unheilbar kranken Menschen beim Sterben helfen? Seit Langem schon wird über diese Frage diskutiert. Ein ethisch und moralisch hochbrisantes Thema. Jetzt nimmt die Debatte Fahrt auf: Vor zwei Wochen legte in Deutschland eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten ein fraktionsübergreifendes Positionspapier zur Sterbehilfe vor, über das im Parlament abgestimmt werden soll.

Zur bestehenden Rechtslage: Die Tötung auf Verlangen („aktive Sterbehilfe“), ist in Deutschland (und Österreich) strikt verboten – und dabei wird es auch bleiben. Die „passive Sterbehilfe“ dagegen meint den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, in der Regel durch den Arzt. Dieses bewusste Sterbenlassen etwa durch das Abschalten eines Beatmungsgerätes ist (in beiden Ländern) zulässig, wenn es dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.

Kern der aktuellen Debatte ist die Beihilfe zur Selbsttötung, auch assistierter Suizid genannt. In Österreich nicht gestattet, ist die Rechtslage in Deutschland verzwickt. So darf etwa ein Angehöriger einem Sterbewilligen zwar eine Überdosis Schlaftabletten besorgen. Unter Umständen muss er nach der Einnahme aber den Notarzt rufen, um sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig zu machen. Deswegen zieht es heute viele Deutsche zu Sterbehilfe-Organisationen in die Schweiz.

Komplexes Thema, viele Meinungen

So komplex das Thema, so vielschichtig sind die Meinungen. Vier Konzepte liegen derzeit vor: SPD-Fraktionsvize Carola Reimann (SPD), Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), die SPD-Politiker Karl Lauterbach und Burkhard Lischka sowie Katherina Reiche (CDU) und Dagmar Wöhrl (CSU) wollen gesetzlich klar regeln, dass Ärzte unter strengen Voraussetzungen unheilbar Kranken beim Sterben helfen dürfen.

Sie stellen sich damit gegen führende Unionspolitiker wie Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die ausnahmslos jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe stellen wollen. Die SPD-Politikerinnen Kerstin Griese und Eva Högl wiederum plädieren für einen „Weg in der Mitte“. Sie wollen keine neuen Gesetzesregelungen, fordern aber ein Verbot von Sterbehilfe-Vereinen. Eine ähnliche Initiative gibt es bei den Grünen. Auch sie planen ein Verbot der „geschäftsmäßigen“ Suizidassistenz mit denselben Auswirkungen für Ärzte und Vereine, wollen aber den Kreis der straflos Bleibenden größer halten.
Demnach bleiben nicht nur Angehörige, sondern auch andere „nahestehende Personen“ eines Sterbewilligen straflos, sofern sie „nicht aus eigennützigen Motiven heraus handeln“. Zu diesen nahestehenden Personen sollen auch „Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe“ zählen – aber nur, wenn zu ihnen „die sterbewillige Person in einer langjährigen Behandlungsbeziehung steht und deren Handeln Ausdruck eines engen Vertrauens- und Fürsorgeverhältnisses ist“.

Dass die organisierte Suizidbeihilfe strafrechtlich verboten wird, gilt angesichts der breiten Unterstützung dafür quer durch die Fraktionen als wahrscheinlich. Einen ersten Meinungsaustausch im Bundestag soll es am 13. November geben. Mit einer Parlamentsentscheidung ist aber frühestens in einem Jahr zu rechnen. Einig sind sich im Übrigen alle Gruppen darin, Palliativmedizin und Hospizangebote auszubauen. (kb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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