Experten rechnen am Donnerstag mit einer deutlichen Leitzinssenkung um 0,5 Punkte auf 1,5 Prozent. Darüber hinaus könnte die EZB auch über "neue Wege" aus der Krise nachdenken.
Der Leitzins im Euro-Raum steuert auf ein Rekordtief zu. Experten erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Zinssatz bei ihrer Ratssitzung an diesem Donnerstag im Kampf gegen die anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise nochmals um 0,5 Punkte auf dann 1,5 Prozent senken wird.
Dabei stützen sie sich auch auf Aussagen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, der nach der Zinspause im Februar eine weitere Lockerung der Geldpolitik für März angedeutet hatte: "Ich schließe im Moment nicht aus, dass wir die Rate bei unserem nächsten Treffen senken könnten." Der Euro-Raum und seine wichtigsten Handelspartner befänden sich in einer langen Phase eines großen wirtschaftlichen Abschwungs.
Leitzins seit Oktober 2008 um 2,25 Punkte gesenkt
Um aus der Rezession in vielen europäischen Ländern herauszukommen, hatten die Währungshüter den Leitzins seit Oktober 2008 bereits in vier Schritten um insgesamt 2,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent und damit auf das niedrigste Niveau seit Einführung des Euro 1999 gesenkt. Auf dieser Untergrenze hatte der Leitzins im Euro-Raum bereits von Mitte 2003 bis Ende 2005 verharrt. Niedrige Zinsen sollen Kredite für Unternehmen und Verbraucher verbilligen und so dabei helfen, die Wirtschaft anzukurbeln.
Ökonomen fordern eine weitere Zinssenkungen. "Die nächste Leitzinssenkung am 5. März scheint so gut wie sicher. Weitere Senkungen bis auf 1,0 Prozent noch im zweiten Quartal würden ebenfalls nicht überraschen", schreiben Volkswirte der UniCredit. Auch die Commerzbank rechnet noch in diesem Frühjahr mit einem Leitzins von 1,0 Prozent: "Damit dürfte dann aber der Tiefpunkt erreicht sein." Eine Null-Zins-Politik wie in den USA oder in Japan hatte Trichet zuletzt mehrfach vehement ausgeschlossen.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Öffentlicher Banken (VÖB), Karl-Heinz Boos, forderte eine Rücknahme des wichtigsten Leitzinses für die Versorgung der Banken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld um 0,5 Punkte an diesem Donnerstag: "Die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die deutlich gesunkenen Inflationserwartungen im Euro-Raum sprechen klar für eine aggressive EZB-Zinspolitik."
Greift EZB zu "unorthodoxen" Mitteln?
Neben der Frage, ob die EZB den Leitzins weiter senkt, dürfte am Donnerstag aber eine andere Frage eine ähnlich große Rolle spielen: Stützt die EZB Finanzystem und Wirtschaft künftig auch mit "unorthodoxen" Maßnahmen? Denn selbst aggressive Zinsschritte werden in der aktuellen Krise wohl nicht mehr ausreichen. "Die EZB muss über neue Wege nachdenken", sagt Aurelio Maccario, Europa-Chefvolkswirt bei Unicredit laut "Financial Times Deutschland".
Bislang hat die EZB den Banken unbegrenzt Liquidität bereitgestellt. "Liquiditätsspritzen für Banken sind aber etwas anderes als Kredite für die Wirtschaft", sagt Erik Nielsen, Europa-Chefökonom bei Goldman Sachs, laut der Zeitung. So umgeht die US-Notenbank Fed teilweise die Banken und pumpt direkt Liquidität in die Wirtschaft.
Angesichts der Tatsache, dass die Geschäftsbanken die Zinssenkungen nicht umfassend an die Kunden weitergeben, wird die EZB aber wohl nicht umhin kommen, auch alternative Ansätze zu erwägen. Die wahrscheinlichsten Szenarien laut "Financial Times Deutschland":
- Die EZB kauft von Firmen gehaltene Wertpapiere,
- die EZB kauft über den Sekundärmarkt Staatsanleihen, um die Liquidität zu erhöhen
- die EZB versucht, langfristige Geldmarktsätze wie den Dreimonats-Euribor (an den viele Kreditverträge direkt gekoppelt sind) zu drücken.