Ökonomen hatten wegen der ausgeprägten Finanz- und Wirtschaftskrise in Großbritannien mit einer Zinssenkung in dieser Größenordnung gerechnet. Zuletzt war der Zins im Februar gesenkt worden.
Im Kampf gegen die schwere Rezession hat die britische Notenbank das Zinsniveau auf ein Rekordtief gekappt und schwenkt nun auf einen alternativen Kurs ein. Die Bank von England (BoE) senkte den Schlüsselzins am Donnerstag um einen halben Prozentpunkt auf 0,5 Prozent. So niedrig stand die Bank Rate, zu der sich die Geschäftsbanken bei der Zentralbank Geld besorgen können, noch nie seit Gründung der Notenbank im Jahr 1694.
Da die Zentralbanker um ihren Gouverneur Mervyn King den Spielraum für Zinssenkungen nahezu ausgereizt haben, schalten sie nun auf eine unkonventionelle Geldpolitik um. Die BoE will Geschäftsbanken in großem Stil Staatsanleihen und Wertpapiere abkaufen und die Schockstarre der britischen Wirtschaft auf diese Weise aufbrechen.
BoE setzt auf "unorthodoxe" Maßnahmen
Dafür wirft sie die Druckerpresse kräftig an. Die Zentralbank will für die unorthodoxen Maßnahmen - im Fachjargon quantitative easing genannt - zunächst 75 Mrd. Pfund (84,3 Mrd. Euro) - aufwenden. In den kommenden drei Monaten will die BoE zunächst hauptsächlich mittel- und langlaufende Staatsanleihen aufkaufen. Die Notenbanker stemmen sich mit dieser alternativen Geldpolitik gegen die schwerste Rezession seit Jahrzehnten. Binnen sechs Monaten haben sie die Leitzinsen bereits um 4,5 Prozentpunkte gesenkt.
Doch die Finanz- und Immobilienkrise lähmt die Wirtschaft des Landes mit dem führenden Bankenstandort London noch immer. Die Zahl der Arbeitslosen ist sprunghaft angestiegen, da die Firmen wegen der wegbrechenden Nachfrage immer stärker Stellen abbauen. Nach dem Platzen einer Immobilienblase sind die Häuserpreise im freien Fall. Eine Kreditklemme verhindert zudem, dass der geschwächte Wirtschaftskreislauf wieder in Gang kommt.
Hier will die Notenbank nun den Hebel direkt ansetzen. Sie hofft darauf, dass die Banken wieder freigiebiger Darlehen an Geschäfts- und Privatkunden ausreichen, wenn die Zentralbank ihnen Staatsanleihen und Wertpapiere abkauft. Die Maßnahmen zum Ankurbeln des Kreditkreislaufs musste sich Notenbankgouverneur King jedoch von der Regierung genehmigt lassen, da die englische Notenbank im Gegensatz zu der Europäischen Zentralbank (EZB) hier nicht völlig unabhängig ist. Finanzminister Alistair Darling setzte eine Obergrenze von insgesamt 150 Mrd. Pfund für das Quantitative-Easing-Programm.
Die Ankündigung der BoE ließ am Rentenmarkt die Kurse von Staatspapieren steigen, während das Pfund zum Dollar nachgab. Experten gehen davon aus, dass die Notenbank den Spielraum für das Quantitative-Easing-Programm voll ausschöpfen wird:" Die Entscheidung, für 75 Mrd. Pfund Wertpapiere anzukaufen, war richtig. Wir glauben aber, dass dies erst der Anfang war. Binnen Jahresfrist dürfte sich das Volumen verdoppeln", sagte Amit Kara von der Großbank UBS.
(Ag.)