Rekordtief: EZB senkt Leitzins auf 1,5 Prozent

Jean-Claude Trichet
Jean-Claude Trichet(c) AP (Daniel Roland)
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Die EZB senkt den Leitzins um 0,5 Punkte. Damit fällt das Zinsniveau auf das niedrigste in der Geschichte der Währungsunion.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins am Donnerstag nach nahezu einhelliger Auffassung von Experten um einen halben Prozentpunkt auf 1,5 Prozent gesenkt. Damit sinkt das Zinsniveau auf das niedrigste in der Geschichte der Währungsunion seit deren Gründung 1999. Zeitgleich senkte auch die Bank von England (BoE) den Schlüsselzins am Donnerstag um einen halben Prozentpunkt auf 0,5 Prozent.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat nach der Leitzinssenkung eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik signalisiert, sich aber zugleich gegen eine Nullzinspolitik ausgesprochen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sagte am Nachmittag in Frankfurt, er könne eine weitere Zinssenkung nicht ausschließen. Experten rechnen für heuer mit einem Leitzins bei 1,0 Prozent. Ein Unterschreiten dieser Schwelle wird hingegen für unwahrscheinlich gehalten.

Um die Wirtschaft in der Krise wieder anzukurbeln, hatte die EZB den Leitzins, der seit dem Juni 2000 bei 4,25 Prozent stand, Mitte Oktober 2008 auf 3,75 Prozent gesenkt. In schneller Folge verminderte sie im November, Dezember und Jänner den Satz weiter auf zuletzt 2 Prozent. Im Februar behielt sie den Satz bei. Grund der kräftigen Zinssenkungen ist die konjunkturelle Talfahrt bei zugleich deutlich gesunkenen Inflationsraten.

Leitzinssenkungen der EZB

bis 8. Oktober 2008 4,25 Prozent
8. Oktober 2008 3,75 Prozent (-0,5)
6. November 2008 3,25 Prozent (-0,75)
4. Dezember 2008 2,50 Prozent (-0,5)
15. Jänner 2009 2,00 Prozent (-0,5)
5. März 2009 1,50 Prozent (-0,5)

WKÖ-Chef Leitl kritisiert EZB

"Der heutige Schritt der EZB, den Leitzins zu senken, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das darf aber nicht der letzte gewesen sein", sagte der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Christoph Leitl, in einer ersten Reaktion. Leitl fordert die Währungshüter in Frankfurt auf, künftig schneller zu reagieren: "Experten schätzen, dass die langsamere Anpassung des EZB-Leitzinses im Vergleich zur Zinspolitik der US-Notenbank seit Ausbruch der Krise im Spätsommer 2007 die Wirtschaft des Euroraumes mit bis zu 100 Mrd. Euro zusätzlicher Kosten belastet hat."

Experten warnen hingegen angesichts der massiven Leitzinssenkungen weltweit und der milliardenschweren Konjunkturprogramme vor einem massiven Anstieg der Inflation, sobald die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt.

Greift EZB zu "unorthodoxen" Maßnahmen?

Ein anderer Aspekt rückt in den Vordergrund: Wird die EZB Finanzystem und Wirtschaft künftig auch mit "unorthodoxen" Maßnahmen stützen? Denn selbst aggressive Zinsschritte werden in der aktuellen Krise wohl nicht mehr ausreichen. "Die EZB muss über neue Wege nachdenken", sagt etwa Aurelio Maccario, Europa-Chefvolkswirt bei Unicredit.

Was sind Basispunkte?

100 Basispunkte sind ein Prozentpunkt. Die Veränderungen von Prozentwerten gibt man absolut in Prozentpunkten an.
Ein Beispiel: Relativ sind 15 Prozent um 50 Prozent mehr als zehn Prozent, hingegen sind zehn Prozent um 33,3 Prozent weniger als 15 Prozent. Ausschlaggebend ist immer der Ausgangswert; bei Prozentpunkten ist das egal: 15 Prozent sind um fünf Prozentpunkte mehr als zehn Prozent. Und zehn Prozent sind um fünf Prozentpunkte weniger als 15 Prozent.

(Red.)

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