Heinrich Treichl: Der letzte Gentleman des Geldes

(c) Michaela Bruckberger
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Treichl, langjähriger CA-Generaldirektor und ein Vierteljahrhundert lang Rot-Kreuz-Präsident, ist im Alter von 101 Jahren gestorben.

Wien. Eine der vielen Anekdoten, die sich um das Leben von Heinrich Treichl ranken, geht so: Freunde hatten ihn gedrängt, nach dem Zweiten Weltkrieg zur ÖVP zu gehen, weil die Partei junge Menschen mit Auslandserfahrung und Sprachkenntnissen benötige. Also sprach er beim damaligen ÖVP-Bauernbunddirektor Ferdinand Graf vor und erklärte seine Gedanken zur Marktwirtschaft. Als er fertig war, lehnte Graf den Bewerber dankend ab. Seine Begründung: „Sie san a typischer Intellektueller.“

Das war er bis zum Schluss. Sein stets wacher Intellekt war immer seine schärfste Waffe, gefürchtet von allen Andersdenkenden. Auch im hohen Alter wurde er kaum milder, nur etwas nachsichtiger, wenn er beispielsweise die innenpolitische Situation in Österreich als „erträglich“ bezeichnete. Am Sonntag ist Heinrich Treichl im 102. Lebensjahr „sanft entschlafen“, wie seine Familie am Dienstag bekannt gab.

Der Jahrhundert-Banker hatte viele Jahre die verstaatlichte Creditanstalt geführt und sie durch Expansion und Verstärkung des Auslandsgeschäfts zu einem führenden Finanzinstitut gemacht. In seiner Zeit als Generaldirektor von 1970 bis 1981 gehörte die CA zu den 100 größten Finanzkonzernen der Welt.

Freundlichkeit von der Mutter

Die Bank führte er mit strenger Hand, und stand dazu. Über den Führungsstil seiner Söhne Michael und Andreas (Chef der Erste Group) meinte er einmal: „Ihre Art, mit Menschen freundlich umzugehen, haben sie von ihrer Mutter.“ Ein herzloser Bankenboss war er aber nie, eher der letzte Gentleman des Geldes, der auch ein Vierteljahrhundert lang an der Spitze des Roten Kreuzes in Österreich stand.

Heinrich Treichl wurde am 31. Juli 1913 in Wien geboren und durchlebte die Monarchie, den Ersten Weltkrieg, die Erste Republik, die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg. Seine Mutter war eine Baronesse von Ferstel, sein Vater stammte aus bäuerlichen Verhältnissen im Pinzgau und arbeitete als Banker. Seine Ausbildung machte Heinrich Treichl in Wien und in Frankfurt, nach der Promotion im Jahr 1936 begann er seine Karriere als Devisenhändler. Im Zweiten Weltkrieg wurde er eingezogen, desertierte in Paris und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Sein Bruder, Wolfgang Treichl, war unter dem Decknamen Taggart Widerstandskämpfer und starb im Oktober 1944 bei einem Einsatz. Zu seinem Gedenken wurde später das Buch „Am Ende war die Tat“ veröffentlicht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Heinrich Treichl beim Ullstein-Verlag und wechselte 1956 in die Finanzabteilung der damaligen Verstaatlichten Holding. Zwei Jahre später ging er zur Creditanstalt, 1970 wurde er deren Generaldirektor. Und lieferte sich als „Liberaler im angelsächsischen Sinn“ (Selbstbeschreibung) heftige Auseinandersetzungen mit dem damaligen Eigentümervertreter der Bank, Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), und dessen politischen Ziehsohn, Finanzminister Hannes Androsch. Dass Kreisky 1981 Androsch zu Treichls Nachfolger machte, ärgerte den Konservativen nachhaltig. Erst knapp vor Kreiskys Tod kam die Versöhnung.

Schuster-Tip für Androsch

In seiner Biografie („Fast ein Jahrhundert“, 2003) widmet sich Treichl in eigenen Kapiteln den beiden Politikern und berichtet auch in einer netten Anekdote, die ein subtiler Seitenhieb auf den Sozialdemokraten Androsch ist, von einem Treffen. In einem Gespräch wunderte sich Androsch, dass die Zeitungen über die Maßschuhe Kreiskys schrieben. Treichl stimmte zu und bemerkte, dass die Schuhe ohnehin harte Böcke seien. Sein Schuster mache viel bessere. Daraufhin habe Androsch den Stift gezückt und gefragt: „Und wie heißt Ihr Schuster?“

Das offizielle Österreich würdigte Heinrich Treichl gestern in großen Nachrufen. Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete ihn als „großen Patrioten, bekennenden Liberalen und bewussten homo politicus“. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner meinte, Österreich verliere „einen Bankier von Weltformat“. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hob vor allem das humanitäre Engagement Treichls hervor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2014)

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